2016 war kein gutes Filmjahr. Dennoch
gab es natürlich auch in diesem Jahr einige lohnenswerte Dinge im Kino zu
sehen.
10.TONI ERDMANN - Maren Ade
Man kam 2016 nicht an diesem Film vorbei
und ja, „Toni Erdmann“ ist ein guter Film. Über fast drei Stunden bereitet er
ein interessantes Vergnügen.
Sandra Hüller ist eine wunderbare Darstellerin, das Drehbuch ist gut, die Kamera fängt interessante Bilder ein, die uns etwas über das moderne Europa erzählen (Auch interessant, aber mit einem anderen Blick auf Rumänien: "Die Zielfahnder-Flucht in die Kaparten" von Dominik Graf). Der spannende Blick auf den modernen Kapitalismus gerät nur an wenigen Stellen an seine Grenzen und fügt sich harmonisch in das Gesamtbild des Films ein. „Toni Erdmann“ ist nicht der deutsche Film, dem ich diesen Hype wünschen würde. Zu gönnen ist es Maren Ade jedoch allemal.
Sandra Hüller ist eine wunderbare Darstellerin, das Drehbuch ist gut, die Kamera fängt interessante Bilder ein, die uns etwas über das moderne Europa erzählen (Auch interessant, aber mit einem anderen Blick auf Rumänien: "Die Zielfahnder-Flucht in die Kaparten" von Dominik Graf). Der spannende Blick auf den modernen Kapitalismus gerät nur an wenigen Stellen an seine Grenzen und fügt sich harmonisch in das Gesamtbild des Films ein. „Toni Erdmann“ ist nicht der deutsche Film, dem ich diesen Hype wünschen würde. Zu gönnen ist es Maren Ade jedoch allemal.
9. DIE MITTE DER WELT - Jakob M. Erwa
Es ist bekannt, dass es wenig Sinn
ergibt, Bücher mit Filmen zu vergleichen, doch in diesem Fall stellt man dabei
erstaunliches fest. Der Film schafft es, den Geist der Romanvorlage von Andreas
Steinhöfel in filmische Bilder umzusetzen und das geschriebene Wort auf der
Leinwand zu transformieren. Die Bilder befinden sich im ständigen Wandel,
genauso wie das Leben des Jugendlichen Phil. Eine überdrehte, sehr ehrliche
Inszenierung, die es, ähnlich wie die Bibi und Tina-Verfilmungen, schafft, eine
bestimmte Stimmung zu erschaffen, die den Zuschauer mit den Figuren verbindet.
„Die Mitte der Welt“ ist ein Liebesfilm, der in jeder Sekunde genau das sein
will, eine Romanze, wie sie ehrlicher nicht sein könnte. Zumal der Film, ebenso
wie das Buch, das Thema Homosexualität hervorragend verarbeitet, indem es zu
keiner Sekunde thematisiert wird. Niemand interessiert sich dafür, welche
Sexualität die Figuren ausleben. In „Die Mitte der Welt“ geht es nicht um eine
Beschreibung der Realität. Es soll eine Traumbeschreibung sein, der Wunsch nach
einem bestimmten Zustand.
8. WILD - Nicolette Krebitz
Gegenüber „Wild“ war ich zunächst doch
recht skeptisch. Dies hörte sich zunächst nach einem sehr schwachsinnigen Film
an. Doch als ich dann im Kino saß, wandelte sich dies rasch. Hier ist ein
mutiger Film zu sehen, der diesen Mut in filmische Bilder umwandelt ohne seine
Prämisse vor sich herzutragen und darzulegen, wie brillant doch die Grundidee
sei. Eine Frau sieht einen Wolf und nimmt diesen mit nach Hause. Sie gibt ihre
vorherige, langweilige Existenz auf. Glücklicherweise verkommt „Wild“ nicht zu
einem langweiligen Plädoyer für das Leben in der Natur, sondern stellt lieber
die Frage, was der zivilisierten Gesellschaft fehlt und wie diese auf eine
radikale, (scheinbar) unvernünftige Veränderung reagiert. Krebitz begibt sich
auf die Suche nach etwas Durchgedrehtem, nach einem physischen und radikalen
Moment im Film. Sie beendet ihre Suche nicht, getreu dem Motto der Romantik
geht es immer weiter nach vorne, die Reise ist niemals vorbei.
(Ich kann diesen Film bei Weitem nicht
so gut beschreiben, wie Ekkehard Knörer dies in CARGO #29 getan hat.)
7. THE HANDMAIDEN - Chan-wook Park
Park Chan-wook konnte sich dieses Jahr
mit einem wahnsinnigen Kostümfilm in mein Herz schleichen. In seiner fast
zweieinhalbstündigen Erzählung einer Kriminalgeschichte, die ursprünglich im
Viktorianischen Zeitalter angesiedelt ist und hier in das Korea der 30er-Jahre
verschoben wird, schafft er es mit Humor, mit fantastischen Kostümen und einer
vor Erfindungsgeist nur so sprühende Inszenierung, dass man seinen Spaß dabei
hat. Die Geschichte ist verworren und so ist auch der Film. Sein Plot ist zwar
das Hauptaugenmerk, letztlich nutzt er diesen aber nur als Ausgangspunkt zu
einer Reihe von wilden, traurigen und brutalen Szenerien. Es gelingt ihm vor
allem, dem Zuschauer seine Idee, seine Vorstellung der Welt nahezubringen. Am
Ende ist es vor allem ein sehr pulpiger, aufgedrehter Film, der zu keiner
Sekunde Ruhe gibt, da man sonst in Fahrwasser des Desinteresses geraten könnte.
6. POLIZEIRUF 110: WÖLFE - Christian
Petzold
Dass Barbara Auer und Matthias Brandt
das schönste Duo des deutschen Krimis sind, dürfte mittlerweile bekannt sein.
Es gibt niemanden, der diese beiden besser inszenieren könnte, als Christian
Petzold. Seine Wolfsgeschichte hat etwas mystisches, seine Figuren sind das
Abbild dieses Falles in der Realität. Eine Alkoholikerin, die sich in den
Bergen von ihrer Sucht befreien möchte. Man bekommt den Eindruck, dass sich
alle Figuren ihres Ballasts nicht mal mehr entledigen wollen. Sie leben einfach
nur noch vor sich hin, sie existieren in einer rauchverhangenen Welt, in der
man Zigarettenstummel aufhebt, weil nirgendwo ein Zigarettenautomat zu finden
ist. Und ist die Vorstellung nicht schön, dass die beiden an einem dunklen,
wolkenverhangenen Wochenende vor dem Fernseher sitzen und gemeinsam Filme
schauen?
5. VERFLUCHTE LIEBE DEUTSCHER FILM -
Dominik Graf und Johannes Sievert
Der deutsche Film, er beschäftigt
Dominik Graf schon seit vielen Jahren. U.a. in seinem brillanten Essay-Film
„Das Wispern im Berg der Dinge“ hat er sich bereits mit dem deutschen
Nachkriegskino auseinandergesetzt. Mit „Verfluchte Liebe Deutscher Film“ geht
er nun ein paar Jahre weiter und stellt die Frage, ob es abgesehen vom Neuen
Deutschen Film nicht auch noch andere Filmemacher gab, die eine ganze andere
Vorstellung von Kino haben. In Interviews erzählt der Kreis von Leuten, der
immer in Graf-Dokumentationen vorkommt, Dreh-Anekdoten und Geschichten aus
dieser Zeit (Highlights: Klaus Lemke bezeichnet Ulrike Meinhoff als „dumme
Schlampe“ und Mario Adorfs Geschichte zum Dreh von „Deadlock“ mit Roland
Klick.) Dabei setzt sich aus all diesen Einzelteilen ein Bild dieser fast
vergessenen Generation von Filmemachern, wie Roger Fritz, Roland Klick, Klaus
Lemke etc. zusammen, die eine radikalere, dem US-Genrekino angenäherten
Kinobegriff vertraten. Auch wenn der gegenwärtige deutsche Film nicht einmal
erwähnt wird, so ist er doch ständig präsent. Vieles, was damals schiefgelaufen
ist, wirkt bis heute nach, sei es die Reform der Filmförderung oder die ersten
Projekte von Bernd Eichinger. Am Ende geht es darum, wie sehr einen doch diese
Liebe zum deutschen Film antreibt und Graf immer wieder versucht, anderen
Menschen, aber auch sich selbst, seine Faszination und Begeisterung für den
deutschen Film nahezubringen.
4. THE HATEFUL 8 - Quentin Tarantino
Quentin Tarantino wird sehr häufig auf
„coole“ Sprüche und Gewalt reduziert. In seinen Filmen scheint sehr häufig
durch, wie viele Filme er in seinem Leben gesehen hat, wie sehr er Filme liebt.
Dadurch gerät er in einen postmodernen Kreisel der Selbstferenzialität, der
seine Werke zunehmend anstrengend machen. Doch in „The Hateful 8“ ist dies
anders. Es ist ein ernster Film, ein wirklicher Western, ein politischer Film.
Tarantino versammelt den derzeitigen Zustand der USA in einer Hütte im Schnee
mit acht verschiedenen Charakteren, anhand derer er sein Panorama ausweitet.
Der Vorwurf der überharten Gewaltdarstellung ist in diesem Film fehlgeleitet.
Es braucht diese Szenen, um die Radikalität darzulegen, um die sich über fast
drei Stunden entstehende Spannung mit einer riesigen Explosion aufzulösen.
Immer präsent ist dabei, die fabelhafte Musik von Ennio Morricone, der die
meisten aktuellen Filmkomponisten mit links übertrifft und somit diesen
wichtigen und tollen Film abrundet.
3. THE ASSASIN - Hsaio-hsien Hou
„Es ist
das Flüstern, das wir hören können. Es sind die Radiowellen.
Es sind die Schatten, die wir deuten können“. So heißt es auf „Abalonia“ von Turbostaat, einem der besten Musikalben 2016. Ähnlich wie dieses Album ist auch „The Assasin“ mit Worten eigentlich nicht zu beschreiben. Ein Film, wie er nicht mehr Film sein könnte. Er setzt komplett auf die ihm einzigartigen Eigenschaften der visuellen Komposition. Er hat kein Interesse daran, einfach seine Geschichte zu erzählen, er versucht einen fließenden Fluss der filmischen Bilder zu schaffen, die in verschiedenste Richtungen laufen, sich an Wendepunkten wieder zusammenfinden und am Ende ein wunderschönes Schlussbild ergeben. Ein immersiver Film, der seine eigene Sprachlichkeit und Stimmlichkeit entwickelt.
Es sind die Schatten, die wir deuten können“. So heißt es auf „Abalonia“ von Turbostaat, einem der besten Musikalben 2016. Ähnlich wie dieses Album ist auch „The Assasin“ mit Worten eigentlich nicht zu beschreiben. Ein Film, wie er nicht mehr Film sein könnte. Er setzt komplett auf die ihm einzigartigen Eigenschaften der visuellen Komposition. Er hat kein Interesse daran, einfach seine Geschichte zu erzählen, er versucht einen fließenden Fluss der filmischen Bilder zu schaffen, die in verschiedenste Richtungen laufen, sich an Wendepunkten wieder zusammenfinden und am Ende ein wunderschönes Schlussbild ergeben. Ein immersiver Film, der seine eigene Sprachlichkeit und Stimmlichkeit entwickelt.
2. DER TRAUMHAFTE WEG - Angela Schanelec
Angela Schanelec ist in vielerlei
Hinsicht eine ungewöhnliche Filmemacherin. In ihrem neuen Film stellt sie ihre
ganz eigene Vorstellung von Narration und Erzählweise aus. Alleine der Beginn
ist bereits ganz wunderbar. Zwei junge, liebende Menschen sitzen an einem Hafen
im sommerlichen Griechenland der 80er-Jahre, spielen Gitarre und singen „The
Lion Sleeps Tonight“. Diese unglaubliche Anfangssequenz zieht mich sofort in
den Film hinein. Schanelec wird immer wieder vorgeworfen, ihr Stil sei kühl und
distanziert, dabei ist es genau anders herum. Der ganze Film ist auf Gefühlen
und Stimmungen der Figuren und der Umwelt aufgebaut. 30 Jahre nach dieser Zeit
in Griechenland, leben alle Protagonisten unabhängig voneinander in Berlin
nebeneinanderher, niemand weiß mehr, wo der andere ist, ob er überhaupt noch
lebt. Und doch spürt man die innere Verbundenheit der Figuren, der diesen
ganzen Film durchzieht. Aus einer oberflächlich betrachtet fragmentarischen
Erzählung, setzt sich eine einmalige hochgradig rythmische Harmonie zusammen.
1. ALLES WAS KOMMT - Mia Hansen-Løve,
Das absolute Meisterstück dieses Jahres
zeigen jedoch Mia Hansen-Løve,und Isabelle Huppert. In „Alles was kommt“
gelingt ihnen alles, die beiden Damen retten das Kinojahr 2016 im Alleingang.
Eine Philosophieprofessorin muss feststellen, dass die Zeit sich verändert hat
und sie nicht mehr die Ideale aus ihrer Jugend vertreten kann. Sie muss
feststellen, dass die Welt eine andere geworden ist. All das beobachtet der
Film mit einer elegischen Ruhe, mit einer wunderbaren Kamera und formidablen
Darstellern. Es gelingt hier, Philosophie, sei es nun Adorno oder
Schoppenhauer, nicht nur zu erwähnen, um zu beweisen, wie belesen man sei. Hier
wird Philosophie in eine filmische Welt übertragen, ganz unmerklich werden
verschiedene Ansätze dargestellt. Im brillanten Schlussbild sieht man
schließlich minutenlang die gleiche Einstellung, die auf die Zukunft hinweist.
„Alles was kommt“ verkörpert Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges, setzt
eine der derzeit besten Darstellerinnen fantastisch in Szene und ist dabei
niemals ein postmodernes Spiel, das nur auf sich selbst verweist.
Ein Meisterwerk voller
Schönheit und Intelligenz.
Wir teilen uns die Nummer eins, schön! (eigentlich täten wir es alle drei, aber Davids Liste ist ja sehr undemokratisch, was ich nur dir sage, er liest hier sicherlich nicht mit)
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