Wie
schön wäre es doch, die eigene Bestenliste zum Jahresende unter ein
übergeordnetes Motto zu stellen, einen Zusammenhang abgesehen von
der eigenen Zuneigung zu finden. Einige Filme in meiner Auflistung
ließen sich sicherlich gruppieren, auffällig vielleicht, dass ich
dieses Jahr viele Filme mit interessanten und großartigen
Schauspielerinnen in Paraderollen gemocht habe.
Die Abstinenz von Hollywood-Blockbustern hat nicht nur etwas mit persönlicher Präferenz zu tun, sondern auch mit dem von vielen Seiten (mit Recht) beklagten Qualitätsabfall über den einzelne zumindest teilweise gelungene Film wie X-Men Apocalpyse nur bedingt hinwegtäuschen können. Doch nun sind der einleitende Worte genug geschrieben und wir präsentieren mit einigem Stolz die besten Filme des ausklingenden Jahres:
Die Abstinenz von Hollywood-Blockbustern hat nicht nur etwas mit persönlicher Präferenz zu tun, sondern auch mit dem von vielen Seiten (mit Recht) beklagten Qualitätsabfall über den einzelne zumindest teilweise gelungene Film wie X-Men Apocalpyse nur bedingt hinwegtäuschen können. Doch nun sind der einleitende Worte genug geschrieben und wir präsentieren mit einigem Stolz die besten Filme des ausklingenden Jahres:
10.
ANISHOARA - Ana
Felicia Scutelnicu
Im
Prinzip teilt sich ANISHOARA den Platz mit den nicht minder tollen
YOURSELF AND YOURS und THE WOMAN WHO LEFT, doch mir gefiel einerseits
die Vorstellung gleich zwei Debütfilme in dieser Liste auftauchen zu
lassen und andererseits gehört ANISHOARA zu den wenigen Filmen,
denen es tatsächlich gelingt, ein Gefühl des Heranwachsens zu
beschreiben, ohne dabei auf Musikmontagen zu Klassikern der Popmusik,
unglückliche Liebegeschichten und hippe Lehrer zurückgreifen
mussen. Die Laiendarsteller erledigen ihren Job ansprechend und die
Regie ist erstaunlich reif und unaufgeregt. Außerordentlich
gelungen.
9.
EVERYBODY WANT SOME!! - Richard Linklater
Ich
bin kein besonders großer Fan von Richard Linklater, abgesehen von
Dazed and Confused und Boyhood finde ich keinen seiner Filme wirklich
ansprechend, selbst die allseits beliebten Before-Filme können mir
weitesgehend gestohlen bleiben. EVERYBODY WANTS SOME!! stellt eine
löbliche Ausnahme dar. Vom Guardian so pointiert wie falsch als
"biggest political failure of the year" bezeichnet (was
unabhängig davon, ob man es jetzt auf Kino bezieht oder nicht,
schlicht Unsinn ist), ist EVERYBODY WANTS SOME!! ein schöner Film
darüber, dass es in jedem Menschen etwas Gutes zu entdecken gibt,
wenn man nur ein paar Tage mit ihm verbringt. Linklaters Auge für
schauspielerische Begabungen hilft dem Film ungemein. In allen
Linklater-Filmen geht es mehr oder minder um Zeit, so auch hier –
EVERYBODY WANTS SOME!! endet bevor das Leben beginnt.
8.
INTO THE INFERNO – Werner Herzog
Schöne
Erinnerung daran, dass unter dem Internetmeme Werner Herzog immer
noch ein aufregender und unternehmungslustiger Regisseur steckt.
7.
WOLF AND SHEEP – Shahrbanoo Sadat
WOLF
AND SHEEP ist ein Versuch zu erzählen, wie Astrid Lindgrens Kinder
aus Bullerbü gelebt hätten, wäre Schweden eine islamistische
Gesellschaft, die Mädchen schon in jungen Jahren durch einen
Kopftuchzwang sexualisiert. Sadat gelingt es, die Allgegenwärtigkeit
von fundamentaler Religionsauslegung zu thematisieren, ohne in eine
oberlehrerhafte Didaktik zu verfallen, wie es bei einem
österreichischem Film bestimmt der Fall gewesen wäre. Und der
neckende Streit zwischen zwei Mädchen, die sich mit völlig
verrutschten Kopftücher gegenseitig den Mund verbieten wollen,
gehört zu den schönsten (und doch auch traurigsten) Szenen
mindestens dieses Kinojahres.
6.
BROOKLYN – John Crowley
Apropos
schönste Szenen und Bilder des Kinojahres, Saoirse Ronan, die mit
leuchtenden Augen in die Zukunft blickt gehört ganz bestimmt auch in
diese Auflistung. John Carneys unaufgeregte Regie vertraut dem
eigenen Drehbuch und dem Talent der Schauspieler, was die stets
überzeugende Saorise Ronan zur wahrscheinlich besten Performances
des Kinojahres trägt, vielleicht abgesehen von Kristen Stewart und
Isabelle Huppert, die nun wirklich in ihrer eigenen Liga spielen. Ich
habe BROOKLYN als Wiederaufflackern klassischer Hollywood-Tugenden so
sehr genossen wie kaum einen anderen Film in diesem Jahr.
5.
DER TRAUMHAFTE WEG – Angela Schanelec
Kino
als Assoziation von Momenten, idiosynkratischen Panoramen und
stilistischer Kohärenz. Eine Odyssee, von Griechenland über Solomon
Linda, bis in die Tiefen des staatlichen Krankenversicherungsystems.
4.
CERTAIN WOMEN – Kelly Reichardt
Ich
habe dieses Jahr weite Teile des Gesamtwerks von Alice Munro gelesen,
deswegen kam dieser Film gerade zur rechten Zeit. Drei kurze
Augenblicke im Leben von Frauen, herausragend gespielt von Laura
Dern, Lily Gladstone und Michelle Williams. Insbesondere Gladstone
und Dern bieten ganz erstaunliche Performances, die in vollkommenem
Einklangt mit der Stimmung des Films stehen. Laura Derns Figur ist
erschöpft vom Kampf gegen die Windmühlen der allgegenwärtigen
männlichen Dominanz. Die schönsten Szenen gehören jedoch den vor
freudiger Aufregung geröteten Wangen Lily Gladstones. Ich hatte das
Gefühl, dass Kelly Reichardt mir als Europäer etwas grundlegendes
über die Gesellschaftsstruktur in Amerika erzählt, ohne in einen
langweiligen Erklärduktus zu verfallen. Kristen Stewart ist
(selbstverständlich) wieder unheimlich toll, wie sie alleine beim
Durchschneiden eines Burgers und dem Abwischen ihres Mundes mit einer
Serviette ein ganzes Leben lebendig werden lässt. Unschlagbar.
3.
THE HATEFUL EIGHT – Quentin Tarantino
Ganz
unbescheiden zitiere ich hier mal meine Eindrücke direkt nach der
wunderbaren 70mm-Vorführung: Es
knallt nicht nur auf Amerikas Straßen, auch in einer verschneiten
Hütte in Wyoming herrschen Rassismus, Frauenfeindlichkeit,
gegenseitiges Misstrauen, Brutalität und nie aufgearbeitete
Konflikte - Tarantino ist zum ersten Mal in seiner Karriere ein
dezidiert politischer Film gelungen, was ihm sehr gut zu Gesicht
steht. Neigten viele seiner früheren Filme zu einer gewissen Leere
hinsichtlich ihrer (Selbst-)Referentialität, ist "The Hateful
Eight" wütend, expliziert und vor allen Dingen ein Abgesang.
Ein Abgesang auf die Geschichtsschreibung, auf die Idee eines einigen
Amerikas und vielleicht auch ein Abgesang auf seine alten Filme. Am
Ende wird die Geschichte zerknüllt und mit galgenhumorigem Grinsen
beiseite geworfen - ist jetzt auch schon egal. Wohin es von hier aus
geht? Gute Frage.
Der
beste Film des regulären deutschen Kinostartjahres, mit einer
umwerfenden Isabelle Huppert in der Hauptrolle, einer wie üblich
mühelos wirkenden Regie von Mia Hansen-Løve und dem vielleicht
besten Schnitt in diesem Filmjahr. Allzeit beweglich werden hier
große Themen verhandelt, ohne auch nur einen Moment angestrengt zu
wirken. Besonder s herausstechend in diesem, an grandiosen Szenen nun
wirklich nicht armen Film: Isabelle Huppert, die während einer
Busfahrt ihren Ex-Ehemann mit seiner neuen Flamme auf der Straße
laufen sieht und unwillkürlich vor Überraschung zu lachen beginnt.
Irgendwie auch ein Komplementärfilm zu Amy Heckerlings VAMPS,
insbesondere in der Hinsicht, wie sich beide Regisseurinnen mit dem
Älterwerden und den Veränderungen der Zeit beschäftigen – und
dabei trotzdem mit Lust auf die Zukunft blicken. „Das Erlebte ist
der Ausgangspunkt, um in der Freiheit der Fiktion anzukommen“ soll
Mia Hansen-Løve einmal gesagt haben. Wunderschön.
1.
PERSONAL SHOPPER – Olivier Assayas
Ich
weiß nicht, ob ich noch irgendwas über PERSONAL SHOPPER sagen kann,
was ich nicht bereits hier niedergeschrieben habe. Vielleicht nur so viel: Ich kann es kaum
abwarten, ihn im Januar noch einmal wiederzusehen, denke ich doch
immer noch fast jeden Tag über den Film und seine unzähligen Ebenen
nach. Assayas macht wirklich Kino für das 21. Jahrhundert und das
kann man wirklich nicht von vielen Regisseurinnen aktuell behaupten.
Auch deshalb ist PERSONAL SHOPPER völlig zurecht mein liebster Film
des Jahres.
Da ist einiges bei, was hier noch gar nicht offiziell startete. Sehr undemokratisch.
AntwortenLöschenFür Everybody Wants Some habe ich drei Anläufe gebraucht, das erste Mal entnervt abgebrochen, das zweite Mal eingeschlafen, das dritte Mal eisern durchgesessen. Richtig schlecht ist er nicht, aber sehr unreflektiert. Ich teile da E. Knörers Haltung (Schulterschluss mit lauter ätzenden Figuren).
Ist doch folgerichtig, dass eine Liste über das Jahr 2016 undemokratisch ist. Man muss mit der Zeit gehen.
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