Die
sechste Staffel von Pretty Little Liars war bereits im Vorfeld mit
Spannung erwartet worden, kündigten doch die Trailer und die
Aussagen der Beteiligten von einem Zeitsprung , der die Liars auch
innerdiegetisch wieder einigermaßen an das Alter ihrer
Darstellerinnen anpassen sollte und ein munteres narratives
Tohuwabohu versprach
(und, soviel sei an dieser Stelle schon verraten, dieses Versprechen auch hielt). Auch thematisch legen die beiden Staffelhälften unterschiedliche Schwerpunkte, wenngleich sie jedoch personell, visuell und auch lose motivisch verbunden bleiben.
(und, soviel sei an dieser Stelle schon verraten, dieses Versprechen auch hielt). Auch thematisch legen die beiden Staffelhälften unterschiedliche Schwerpunkte, wenngleich sie jedoch personell, visuell und auch lose motivisch verbunden bleiben.
Zunächst
ist in Staffel 6.1 alles beim Alten: Medialität ist das große Thema
der Serie. Die x-te Entlarvung von A findet durch einen Filmprojektor
statt, ein letztes Kopfnicken in Richtung des über die gesamte Serie
gepflegten Fetischs für das alte glamoröse Hollywood-Kino. A, diese
geisterhafte Präsenz, die unsere Heldinnen nun schon seit so vielen
Jahren heimsucht, wird durch den Blick in die Vergangenheit
(scheinbar) offenbart – nur um die Bilderprojektion ein paar Folgen
später wieder zur Seite zu schieben und als, nunja, eine Projektion
zu entlarven. Photographien offenbaren häufig durch ihre
Zeitgebundenheit Dinge, die dem vorbeidrifteten Echtzeitbetrachter
verborgen bleiben, Aria entdeckt immer wieder A auf ihren Photos und
sei es nur durch ihre Motivauswahl, die häufig angelehnt an
vorherige Ereignisse und Bilder der Serie ist (besonders
hervorzuheben ist
hier die Wiederkehr des
Puppenmotivs, welches besonders das Finale von Staffel 5 prägte).
Die Perspektiven eröffnende Beschaffenheit wird im Übrigen in der
zweiten Staffelhälfte in einem schönen Throwback zur "alten"
PLL-Zeit noch einmal aufgegriffen, als Aria auf der Hochzeit ihrer
Eltern für die Photos zuständig ist und eine an sie gerichtete
Botschaft entdeckt. Das einzig "wahrhafte" Medium ist auch
in Staffel 6 das Papier, immer wieder werden Wahrheiten durch
Dokumente offenbart.
Die
finale A-Entlarvung hatte sich lange angedeutet (Ceces mysteriöses
Verschwinden und Wiederauftauchen schien immer verdächtig), in ihrer
Ausführung jedoch ist sie ein außerordentlich interessanter und
ambivalenter Schritt. Cece oder Charles stellt nicht nur den ersten
wirklich gelungenen Bösewicht der Serie dar, sondern auch die erste
transsexuelle Figur. Immerhin geht Pretty Little Liars erfreulich
unkompliziert mit dieser Enthüllung um: Viel skandalöser als
Transsexualität ist ein jahrelanger Plan zur schlussendlichen
Eliminierung der Lügnerinnen schließlich allemal.
Wunderschön
dann das Ende der ersten Staffelhälfte, bittersüß geradezu. Die
Serie geizt häufig (man möchte fast sagen: dankenswerterweise, wenn
man Wohlfühlexzesse wie das wieder aktuell populäre Gilmore Girls
oder Modern Family betrachtet) mit den großen emotionalen
Höhepunkten, doch am Ende der ersten Staffelhälfte, die auch das
Ende der Kindheit der fünf Lügnerinnen markiert, bekommen zumindest
vier von ihnen den Aufbruch in eine bessere Zukunft. (Wie alle Szenen
dieser Art deutlich angelehnt an das grandiose Finale von Six Feet
Under – Gestorben wird immer). Es ist Alison, mit deren
vermeintlicher Ermordung die Serie ihren Anfang nahm, die am Ende
zurückbleibt, die nicht fortkommt vom Ort ihres Trauma. Die Serie
wie auch ihre Hauptfiguren brauchten diesen Aufbruch um wieder Luft
zum Atmen zu finden. In einer letzten Gemeinheit wird Alison dieser
Schritt verwehrt – sie bleibt aufgrund von (falsch verstandener)
Solidarität mit ihren Peinigern.
Denk'
ich an Rosewood in der Nacht – fünf Jahre später:
Fünf
Jahre später haben die Dinge sich verändert: Das einstige Irrenhaus
Radley ist nun ein Hotel für die Besserverdiener, Alison arbeitet
als Lehrerin an der Highschool, auf der sie die schönsten Jahre
ihres Lebens hätte verbringen sollen. Die anderen vier Lügnerinnen
sind alle ihren Weg gegangen: Spencer ist zur
Hillary-Clinton-Demokratin geworden, Hanna eine erfolgreiche
Modedesignerin (respektive die Assistentin einer solchen), Aria
arbeitet in einem Verlag als Lektorin und Emily hat Probleme den Tod
ihres Vaters zu verarbeiten und hat Schwierigkeiten ihren Platz im
Leben zu finden. Kräftig durcheinander gewirbelt wurden auch die
Beziehungen der vier Mädchen. Caleb und Hanna sind nicht mehr
zusammen, traurigerweise. In einer der schönsten Szenen der Serie
bisher sitzen die beiden im Hinterhof eines Nachtclubs, die
elektronische Musik und das flackernde Licht beschallten und
beleuchten die Nacht nur schwach, doch ein Blick in Ashley Bensons
Gesicht macht deutlich: Sie leben aneinander vorbei, sie können
nicht, obwohl sie wollen. Die weiteren romantischen Verwicklungen der
Mädchen erreichen leider auch in der sechsten Staffel nie die Tiefe
und emotionale Verbundenheit wie die Paarung Hanna-Caleb (von den
jugendlichen Fans der Serie ebenso naheliegend wie dämlich "Haleb"
getauft). Spencer und Toby sind erwartbarerweise nicht mehr zusammen,
auch die Involvierung Tobys mit Spencers Pendant im Senatswahlkampf
ihrer Mutter, der Republikanertochter Yvonne, hilft da nicht
wirklich, sorgt aber immerhin für eine geringe Präsenz seinerseits.
Ernsthafte Beziehungen waren nie eine Stärke der Serie.
Ein
interessanter Neuzugang in Staffel 6 ist die "A"-Kollaborateurin
Sarah Harvey, die gemeinsam mit den Mädchen zu Beginn der Staffel
aus dem flammenden Inferno gerettet wird. Sie wird erst zu einer Art
Love Interest für Emily, nach dem großen Zeitsprung (der ihr auch
eine bleibende Verstümmelung andichtet, von der in der ersten Hälfte
noch keine Rede war – aber über erzählerische Unzuverlässigkeit
bei Pretty Little Liars kann sich zu diesem Zeitpunkt kein Zuschauer
mehr wundern) zur möglichen neuen (tödlichen) Bedrohung. Das Motiv
der charakterlichen Spiegelung findet auch in Staffel 6 Einzug in die
Serie, Mona ist das, was Spencer hätte sein könnte, wenn sie an
einer Stelle eine andere Abzweigung gewählt hätte, die Paare
Caleb/Hanna und Spencer/Toby ähneln sich auf vielerlei Weise. Sarah
fungiert immer als eine Art Spiegel für Alison, eine Art "Was
wäre wenn?"-Figur. Alison hätte verbittert enden können,
aggressiv gegen ihre Umwelt, ein endgültiger Rückzug. Im Verlaufe
der sechsten Staffel zeigt sich, dass Alison einen anderen Weg geht.
Immer noch gibt sie sich die Schuld am Tod ihrer Mutter, ihrer
Schwester und sogar an den vielen mehr oder weniger dramatischen
Dingen, die ihren Freundinnen durch die verschiedenen A-Inkarnationen
zugestoßen sind. Am Ende versinkt sie vollständig in ihrer
(imaginierten) Schuld – "Sometimes I feel like I'm being
punished for being alive" – Victimblaming bleibt eines der
großen Themen der Show, immer wieder geraten die Liars
unverschuldet ins Visier der Polizei, die den Mädchen nicht glauben
kann oder will.
Doch
bei allem berechtigten Lob hinterlässt der misslungene Endtwist, der
wie ein verzweifelter Versuch wirkt, eine weitere Staffel der Serie
zu rechtfertigen, einen faden Beigeschmack. In seinen besten Momenten
hat Pretty Little Liars etwas von einem Jacques-Rivette-Film, eine
allgegenwärtige Verschwörung, der sich nicht entkommen lässt,
deren Ziele allerdings auch weitesgehend im Dunkeln bleiben. Staffel
6.1 brachte diese große Verschwörung zu einem folgerichtige Ende,
der Epilog (und nicht anderes stellt Staffel 6.2 da) verhalf der
Serie zu einem neuen Aufbruch, hin zu einer klassischeren, an Twin
Peaks orientierten Mördergeschichte. Der Endtwist einer
Erbschleichergeschichte rund um die Zwillingsschwester von Alison
Mutter wirkt mehr wie eine Idee aus einer Daily Soap, die in einer
Sitcom parodiert wird. Trotzdem gilt es natürlich, den Serienmachern
Vertrauen entgegen zu bringen, gelang es ihnen in der Vergangenheit
doch, jeden absurden Twist mit mehr oder minder befriedigenden
Auswirkungen in den Hintergrund treten zu lassen, um den Stärken der
Serien Freiraum zu geben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen