Das An- und Ausziehen ist eine
urfilmische Tätigkeit. In beinahe jedem Film finden sich Szenen, in denen Personen
Klamotten anlegen, sei es ganz bewusst oder nur als nebensächlicher Rahmen
eines Dialogs. Paul Thomas Anderson nähert sich dieser Technik in seinem neuen
Film PHANTOM THREAD geradezu verdächtig langsam. Das stetige Berühren anderer
Menschen spielt für den Schneider Reynolds Woodcock gerade zu Beginn des
Films eine wichtige Rolle und wird von der Kamera mit ruhigen, fast kreisenden
Bewegungen eingefangen. Dabei geht es keinesfalls um eine erotisch aufgeladene
Berührung, sondern um die Bewegung, die dieser Film vollzieht, in dessen
Zentrum am Anfang und am Ende das nicht enden wollende Abmessen von Körpern
steht.
Im Haus des Schneiders, in dem sich ein
Großteil des Films abspielt (was nicht die einzige Parallele zu Sofia Coppolas
THE BEGUILED darstellt) herrscht eine gefährliche Ruhe, die vor allem dadurch hergestellt
wird, dass Woodcock Geräusche nur schwer ertragen kann. Das Haus wird als
filmischer Raum aktiviert, die Kamera scheint aus beinahe jedem Zimmer einmal
zu filmen. Die geradezu stoische Präsenz der Schwester Cyril, sowie einer Gruppe
von Schneiderin (ganz in weiß gekleidet), legen eine Ruhe über den Film, sodass
dieser all das, was sich unter der Oberfläche verbirgt zunächst einmal nur
andeutet. Vielleicht etwas zu überhastet löst Anderson diese Situation auf, indem
er alle Menschen, bis auf die beiden Hauptfiguren aus dem Haus entfernt und
diese dann einen halbgaren Streit führen lässt. Diese zwar eher seltsam
gespielte Szene dient als Aufmacher für eine Umkehr der Machtverhältnisse innerhalb
des Films. Konnte man zu Beginn noch den Eindruck haben, die Körperverhältnisse
würde die Hauptrolle spielen, so werden sie hier durch Macht ergänzt. Spätestens
in der letzten halben Stunde manifestiert sich das Spiel der beiden in einem
Gift-und Krankheitswahn (auch hier kann man auf Coppola verweisen), der nur von
einer eigentümlichen Silvester-Szene unterbrochen wird, in der sich das Gefühl
einstellt, dass Anderson kurz vor Schluss noch einmal auf die, filmisch betrachtet,
hermetische Abriegelung seiner Figuren hinweisen möchte und seine Figuren als Figuren
der Isolation präsentieren möchte. Die Darstellung von Daniel Day-Lewis passt kaum in diesen Film hinein, sein Spiel ist zu routiniert, zu standardisiert.
Unter anderen Umständen hätte er sicherlich funktionieren können, aber in
dieser Erzählung, die sich immer wieder langsam an den Rand verschiebt, wirkt er
seltsam deplatziert.
Anders als in Filmen wie etwas Refns THE
NEON DEMON wird der Begriff Schönheit hier nicht ständig ins visuelle Zentrum
gerückt. Die im Film gezeigten Kleider sind viel mehr Abstraktionen, die keiner
expliziten Vorstellung von Schönheit folgen oder gar das Seelenleben ihrer Protagonisten
darstellen. Viel mehr ermächtigen sie sich umgekehrt ihrer Figuren und
fungieren als eigenständige Figuren. In dem Moment, in dem Reynolds auf das im
Zentrum des Bildes (und des Interesses) stehende Hochzeitskleid fällt, es mit
Schuhcreme beschmiert, wird die Vermittlerfunktion der Kleidung deutlich. Das
klinisch reine Haus, das schon länger nicht mehr sauber schien, hat Schmutz abbekommen.
Es bedarf für die Reparatur des Hochzeitskleides nur eine ganze Nacht, aber das
letzte Bild des Films zeigt uns ganz deutlich: Der andere Fleck wird nicht mehr
verschwinden.
Dieser Text wurde von Luca Schepers(@ArafatsSohn) verfasst.
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