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Dienstag, 20. Februar 2018

Die Allgegenwart des Vaters-Gedankensplitter zu drei Filmen der Weimarer Republik

Im Rahmen der Berlinale 2018 konnte man u.a. eine Retrospektive zum Thema „Weimarer Kino-Neu gesehen“ betrachten. Drei Filme dieser Reihe scheinen mir auf eigentümliche Art und Weise nicht nur miteinander, sondern auch mit der deutschen Filmgeschichte verbunden zu sein, nämlich mittels der Figur des Vaters.

Da wäre zunächst DIE UNEHELICHEN von Gerhard Lamprecht. Ein Film, der seine Prämisse etwas zu lange vor sich herschiebt, dem es aber gelingt, ein Bild der Gesellschaft zu zeichnen, deren grundsätzliche Probleme bis heute bestehen. Er steht dabei in einer Reihe mit Filmen wie z.B. MUTTER KRAUSENS FAHRT INS GLÜCK. Im Zentrum des Films steht dabei die Tatsache, dass drei Arbeiterkinder bei einer Pflegefamilie aufwachsen und dort sehr kalt behandelt werden. In gewisser Weise präsentiert uns Lamprecht hier drei Vaterfiguren: Zum einen den Pflegevater, ein Trinker, der die Kinder schlägt und voller Hass auf sie und ihre Herkunft ist, zum anderen den leiblichen Vater, der zwar erst  gegen Ende des Films auftaucht und seinen Sohn Peter zur Arbeit zwingen möchte, aber schon den ganzen Film wie ein Damoklesschwert über dem Haupt seiner Kinder schwebt. Selbst die dritte Vaterfigur, ein hilfsbereiter Nachbar, vermag den dreien zwar eine kurzfristige Hilfe sein, doch eine langfristige Emanzipation der Kinder von Erwachsenen kann auch er nicht herstellen. Genau hier steckt jedoch das Ziel des Films: Er lässt eine Eigenständigkeit und Selbstermächtigung der Kinder zu, die interessanterweise darin endet, dass Peter schließlich erst an einem Ort Frieden kann, der völlig von Vätern befreit ist.
Am Allerdeutlichsten ist die Rolle des autoritären Vaters, der die Emanzipation seiner Kinder unterdrückt in FRÜHLINGSERWACHEN. Die Geschichte um sexuelle Emanzipation, Loslösung von den Eltern und Ausbruch aus bürgerlichen Konventionen, verarbeitet seine Themen in enorm vergnüglicher und gleichzeitig dramatisch radikalen Art und Weise. Die wohl schönste Szene des Films stellt ein sommerliches Essen und Bowle-Trinken dar, bei dem die Jugendlichen schließlich wie verrückt zu tanzen beginnen, während die Eltern nur sitzen bleiben können. Die Dynamik geht alleine von den Jüngeren aus. Und doch schlurfen und sitzen überall Väter herum. Auch hier sind sie von einer allgegenwärtigen, aber gleichzeitig ambivalenten Stimmung umgeben. Zum einen herrschen autoritäre und brutale Erziehungsmethoden vor, vor allem ein Lehrer, der als pure Abstraktion des über allem stehenden Vaters dient, sticht dabei heraus. Sein Chef jedoch steht am Ende als Wegweiser in eine emanzipierte Zukunft, der einen pathetischen Appell an seinen Schüler formuliert. Das Zentrum des Films stellen die Schüler und ihre Tragödien dar, aber sie finden keinen Ausweg aus dem Kreis der Väter. Fast schon ikonisch dafür steht eine Albtraum-Szene, in der die Gebäude im Umfeld der Figur immer schiefer und unscharfer werden (nicht nur hier erkennt man die Nähe zum expressionistischen Stummfilm der frühen 20er-Jahre). Immer wieder gibt es Bilder der Freiheit zu sehen, die jedoch spätestens im zweiten Teil des Films völlig im Schatten des übermächtig Anwesenden stehen. Die finale Erlösung bleibt ihnen in jeder Hinsicht verwehrt, mehr noch, der Film gibt nicht dem Jugendlichen das Finale, sondern der, trotz seiner positiver Konnotation, übermächtig wirkenden, erwachsenen Figur.

Der dem Post-NS-Kino am nächsten befindliche Film ist DIE ANDERE SEITE von Heinz Paul. Ein Film, der seine Kraft vor allem aus seiner Grundprämisse und seinem filmisch komprimierten Raum zieht. Wie Paul im nur durch Gespräche in einem Offiziersbunker einen ganzen Krieg lebendig werden lässt, ihn verurteilt, seine Figuren sich an ihm hochziehen und dann bis in den Tod hinunterfallen lässt, hat etwas von Käutners SCHWARZER KIES. Hier sind alle Figuren auf ihre Art und Weise am Ende, der eine Alkoholiker mit offenkundigen Todessehnsüchten, der andere Offizier kommt frisch und motiviert aus der Schule und ist auf seine eigene Art ebenfalls nicht mehr zu retten. Die Deutschen als Gegner bekommen kein Gesicht, sie sind eine Abstraktion, die nur in Form von Bomben und Kriegsflugzeugen existiert. Alle Figuren sind hier unglaublich zerbrechlich, der Film gönnt ihnen keinerlei Ruhe. Paul erarbeitet aus den Erfahrungen des 1. Weltkriegs die Deutschen als Symbol für Krieg und Gewalt. Interessant ist hierbei vor allem, dass der Offizier Stanhope für alle Figuren die Abwesenheit der Familie, die nur auf Fotos präsent ist, darstellt.  Wieder ein Übervater. Doch dieser, und damit ist dieser Film dem Adenauer-Kino sehr nahe, kann diese Rolle niemals erfüllen, im Gegenteil, er scheitert geradezu brachial daran. Er ist zwar noch überpräsent, doch seine Präsenz ist nur noch schemenhaft, und er beginnt sich langsam aufzulösen, so wie es auch seine Wahrnehmung durch den Whiskey immer mehr verschwindet. Den schwachen, väterlichen Offizier verwandelte das NS-Kino in eine überdimensionierte Führerfigur, während das Adenauer-Kino die Vaterrolle schließlich abstrahiert und er dort vor allem durch seine Abwesenheit anwesend gemacht wird.


Dieser Text wurde von Luca Schepers(@ArafatsSohn) verfasst.

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