In seinem neuen Film erzählt Lav Diaz
wieder mal von der Geschichte der Philippinen Ende der 70er-Jahre. Eine autoritäre
Militärdiktatur hat sich gebildet und jegliche revolutionäre Stimmen sollen mit
Gewalt unterdrückt werden. Das Ganze erzählt er in Schwarz-Weiß, sowie mittels Gesang,
der ohne Musikunterstützung auskommt (er selbst bezeichnete den Film als „Rock-Oper“).
Diaz ist von Beginn an sehr nah an den
Menschen. Seine Kamera bewegt sich nur sehr selten einmal, viel mehr rückt er
seinen Figuren in starren Einstellungen in den Bildfokus. Es dauert sehr lange,
bis sich so etwas wie eine klare Handlung herauskristallisiert. Davor werden
Menschen beim Tun beobachtet. Sei es Lesen, Schreiben, Laufen oder andere sehr
alltägliche Vorgänge. Sie schweigen dabei, im Hintergrund sind laufend leise Tiergeräusche
zu hören. Der Film stellt so gleich zu Beginn eine eigentümliche Stimmung her.
Durch eine einleitende Erzählerin, die den Film historisch verortet und die Vorgeschichte
erzählt, bekommen alle nachfolgenden, recht harmlosen Szenen eine andere
Bedeutung. Es schwebt etwas über diesem Film und es ist schwierig, dies am
Anfang beschreiben zu können. Verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass die
scheinbare Ruhe im Bild stets durch Töne aus dem Off unterbrochen wird. Die
Gesangszeilen werden sehr oft wiederholt, zum Teil wird auch durcheinander
gesungen. Vor allem später wird die Wiederholung bzw. Dopplung zum
beherrschenden Konzept. Außerdem erkennen sich die Figuren in diesem Gesang
selbst als Subjekt und Diaz versucht dem Film einen Rhythmus auf mehreren Eben
zu geben, was ihm nicht ganz gelingt. Die Figuren drücken in ihrem zum Teil
sehr traurigen Texten, die eher in Richtung Klagelied gehen, die Sehnsucht nach
Erlösung aus, immer und immer wieder. Doch wie soll es die in dieser
Welt geben? Die Menschen sehen sich nach einer Rückkehr, nach einer Welt, die
ihre Farben wiederbekommt, ihnen bleibt aber nichts davon vergönnt. Diaz erzählt
hier von einer Welt, die eigentlich das Ende schon erlebt hat. Und dann gibt es keine andere Möglichkeit mehr, hier wird
dieser Film fast schon klassisch, als ein Lied anzustimmen (Nicht umsonst
ähnelt der stetig einsetzende Regen sowohl visuell als auch auditiv an
RASHOMON, ein Film, der ebenfalls vom Ende erzählt).
Die Stabilität des Films rührt vor allem
aus seiner klaren Bildkomposition, die im Kontrast zu der vor allem gegen Ende
des Films immer schwerer zu ertragenden Brutalität und der hoffnungslosen Welt,
in der wir uns befinden, steht. Dabei stellt er verschiedenste Reaktionen auf das
Verzweifeln an dieser Welt dar, sei es Alkohol, Trauer oder pure Wut. Die Bilder
versuchen dabei, sich mit den Unterdrückten gemein zu machen, was gerade in der
Mitte des Films, in der er sich und mich etwas verliert, nicht so ganz zu
funktionieren scheint. Die visuelle Klarheit, die eigentlich für Geradlinigkeit
stehen könnte, verstärkt das unangenehme Gefühl nur noch, dass sich im Laufe
des Films immer mehr einstellt. Dazu kommen die ganz leichten Bewegungen der
Kamera, die Diaz von Zeit zu Zeit einstreut. Im letzten Drittel eskaliert der
Film dann auf seltsame Weise, er zeigt Szene von brutaler physischer und
psychischer Gewalt, die Dunkelheit erfasst diesen Film endgültig, das Chaos
tritt ins Bild hinein. Das Trauma zweier Menschen tritt zutage, welches
symbolisch für das eines ganzen Landes steht. Da ist dann allerdings schon sehr
viel Zeit vergangen, sodass sich das Gefühl nicht leugnen lässt, der Film
erzähle hier weniger und unklarer als er könnte.
Geschichte funktioniert in diesem Film
als filmischer Raum, der existiert, mit der Gegenwart korrespondiert und durch
irgendwas gespeichert werden muss. Immer wieder tauchen verschiedene Medien auf,
z.B. eine Schreibmaschine oder ein Stapel Bücher. Besonders anhand eines Poeten
wird dargestellt, dass Medien einen eminent wichtigen Speicher von Geschichte
darstellen (hier thematisiert Diaz selbstverständlich auch sein eigenes Werk).
In einer der schönsten Szene des Films
sieht man zwei Menschen, die sich eine sehr lange Zeit umarmen, ganz ruhig und
ohne erkennbaren Grund. Doch man spürt, dass der Film und seine Figuren sich
danach sehnen, dass alles gut wird. Doch am Ende wird deutlich: Das kann niemals
geschehen, zu stark ist das Trauma, zu tief sind die Wunden.
Dieser Text wurde von Luca Schepers(@ArafatsSohn) verfasst.
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