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Samstag, 30. Dezember 2017

Die Top 10 der besten Filme 2017: We found love in a hopeless place

10. BLIND & HÄSSLICH-Tom Laas
Der Mumbelcore-Film ist mir in diesem Jahr ans Herz gewachsen. Ich mag die Art und Weise, wie frei und spielerisch ihre Filme sind und dadurch die Möglichkeit bekommen, ganz eigene Ästhetiken zu entwickeln. In diesem Film gelingt es Tom Laas seinem Film einen eigentümlich, tatsächlichen Humor zu geben, ohne dabei den Fokus auf seine Figuren zu verlieren.
Hier sieht man einen Film voller Menschen, die sich so viel anderes von der Welt erwarten, als das Gegenwärtige, dies aber nicht so richtig bekommen. Er lässt diese Figuren aufeinandertreffen und sie in einem sehr vergnüglichen Setting einen gemeinsam Faden finden: „Ich möchte, dass die Sonne wieder scheint.“

9. A DATE FOR MAD MARY-Darren Thornton
Man findet im zeitgenössischen Kino viel zu selten Coming-of-Age-Geschichten, die sich wirklich ernsthaft mit ihren Figuren auseinandersetzen möchten. Mit A DATE FOR MAD MARY gab es in diesem Jahr einen unverhofften Glücksfall. Der Film ist so sehr aus der Perspektive von Mary erzählt, dass sich dies sogar in der Ästhetik wiederschlägt. Ihre Melancholie, ihre Zerbrechlichkeit im Angesicht dessen, was ihr widerfährt, interagieren mit der ansonsten etwas konventionellen Narration. In diesem Film geschieht immer etwas, ständig wechselt die Stimmung von Mary, von ihrem tief verwurzelten Gefühl der Einsamkeit, über Ignoranz bis hin zu völligen Ausbrüchen. Der Film begleitet dies, ohne je moralisierend oder beurteilend zu sein. Ein Kino, das sich mit seiner Hauptfigur gemein macht und ihr das gibt, was sie so selten bekommt: Zuneigung.

8. DETROIT-Kathryn Bigelow
Politische Zusammenhänge in Filmen darzustellen, endet nur allzu häufig in einem ziemlichen Ärgernis. Vielen Filmen (lookin‘ at you, Ken Loach) scheint es zu genügen, auf einer inhaltlichen Ebene ein politisches Thema zu verhandeln. In DETROIT gelingt es Bigelow ihr dezidiert politisches Programm in eine vielschichtige Ästhetik umzusetzen. Die Unruhen in Detroit im Jahr 1967 dienen als Vorlage für einen fast schon Actionfilm über Polizeigewalt. Bereits in der ersten Szene wird das Flirrende und Körperliche dieses Films eingeführt. Man verliert schnell den Überblick, doch das ist gewollt. Interessanterweise sind es nicht die sich hoffnungslos in der Gewalt eines brutalen Polizisten befindenden Figuren, von denen der Film eine Selbstermächtigung verlangt, sondern der Zuschauer. Er muss das ihm dargebotene und geradezu physisch erfahrbar gemachte beurteilen und seine eigenen Schlüsse daraus ziehen.

7. DIE ANDERE SEITE DER HOFFNUNG-Aki Kaurismäki
Aki Kaurismäki gelang es, mich mit diesem Film sehr zu überraschen. In der für ihn sehr typischen Ästhetik, in der Begriffe wie Fremder und Bekannter eigentliche überhaupt keine Rolle spielen, schickt er einen Asylbewerber hinein. Eine zweite, realere Welt, die der ersten nicht unähnlich ist, macht er in einer Asylbehörde auf. Dort findet sich das wieder, was die Bilder im Restaurant „Zum Goldenen Krug“ bereits andeuten, final expliziert. Das Wechselspiel dieser beiden Räume, sowie der Humor, mit dem so manche Vorstellung hier dekonstruiert und dann liegengelassen wird, machen DIE ANDERE SEITE DER HOFFNUNG nicht zu einem Film über die sogenannte „Flüchtlingskrise“ werden, sondern zu einer Reflexion über die Ästhetiken der Begegnung zwischen solch‘ verschiedenen Menschen, die „trotz allem Mensch sind“.

6. NOCTURAMA-Bertrand Bonello
Das französische Kino hat in diesem Jahr einiges an interessanten Filmen geboten und mit NOCTURAMA einen der tollsten. Bonello sucht in diesem Film etwas, was sich weit weg von konkreten politischen Aussagen oder ästhetischen Klarheiten befindet. Er entwirft in seinem Film die Architektur eines Terroranschlags. Alleine der Anfang des Films, in dem man an verschiedenen Orten in Paris einzelne Personen sieht, die bestimmte Dinge tun, ist schon faszinierend. Hier wird ein Rhythmus etabliert, ein filmischer Zusammenhalt einzelner Subjekte, die sich durch eine fast schon harmlos wirkende Stadt bewegen. Vieles bleibt auf der auditiven Ebene sprachlos, wird aber in seinen filmischen Bildern zum Leben erweckt. Dabei befindet sich der Film immer in einem Schwebezustand und simplifiziert niemals seine Thematik. Vielleicht steckt die größte Macht des Kinos genau darin, den Zuschauer in das Medium hineinzuholen und ihm durch die ureigenste Kraft des Kinos darin zurückzulassen: Das Bild.

5. CERTAIN WOMEN-Kelly Reichardt
Kelly Reichardt ist eine wunderbare Filmemacherin. Auch in ihrem neuen Film CERTAIN WOMEN gelingt es ihr wieder, einen Film über ein gegenwärtiges Amerika zu machen, ohne dabei in Allgemeinplätze abzudriften. Sie inszeniert ihre Figuren so genau und feinfühlig, dass bereits zu Beginn jeder der drei Episoden so viel über die Figuren erzählt wird, z.B. der Moment, in dem Michelle Williams aus ihrem Auto steigt und ihr Mann seiner Tochter sagt, sie sollten heute freundlich zu ihrer Mutter sein. In wunderschönen Aufnahmen der Natur Montanas, erzählt sie von gesellschaftlichen Zuständen, persönlichen Schicksalen und Geschlechterverhältnisse. Dabei ist dies niemals aufdringlich, sondern funktioniert dies stets über kleine Gesten und Momente. Die vier Hauptdarstellerinnen sind allesamt herausragend. Reichardt gibt ihnen den Raum, ihre Figuren entwickeln zu können, ohne dafür eine ganz große Szene schaffe zu müssen. Ein Film wie ein schöner Frühlingsabend, an dem man durch die Dämmerung nach Hause geht

4. HELLE NÄCHTE-Thomas Arslan
HELLE NÄCHTE ist in vielerlei Hinsicht ein eigentümlicher Film. Er behandelt zum einen eine Vater-Sohn-Beziehung in all ihren Facetten und Dialogen (bzw. Nicht-Dialogen). Zum anderen ist es aber auch ein Film, der sich sehr über seine Bildsprache definiert. Die Beziehung zwischen Vater Michael und seinem Sohn Luis ist kaputt, da ist kein Riss mehr, den man noch kitten könnte, sondern sie sind an einem Punkt der völligen Entfremdung. Arslan zeigt uns dies sehr unaufdringlich und genau, in dem er die beiden in die Einsamkeit Norwegens schickt. Dabei verliert er seine Figuren nie aus dem Blick, sondern ist immer ganz nah bei den beiden, die sich so fern fühlen. Und so wird dieses Gefühl, das den Film durchzieht in einer letzten, großartigen, mehrminütigen Kamerafahrt mit einem Auto durch eine nebelverhangene Straße, zusammengefasst.

3. SONG TO SONG-Terrence Malick
Der neue Film von Terrence Malick hat mich einmal mehr mitgenommen. Natürlich ähneln sich seine Filme in seinen Ästhetiken sehr und manchmal können einem die Natur-Szenen etwas zu viel vorkommen. Aber auch in diesem Film kümmerte mich das wenig, war es doch viel schöner, sich diesen Bildern hinzugeben, die trotz der Leichtigkeit, die sie und die Figuren ausstrahlen, eine Zerbrechlichkeit offenbaren, wie es sie in den Vorgängerfilmen noch nicht gegeben hatte. Es geht zu keiner Sekunde darum, ein Kino zu erschaffen, dass irgendwelche Realitäten abbildet, sondern darum, sich ganz seiner Fantasie hinzugeben. Vor allem Rooney Maras Darstellung wird geradezu perfekt eingefangen. Mit SONG TO SONG und dem Leitmotiv der Musik kommt Malick vielleicht dem am nächsten, was sein Kino ausmacht: Eine melodischer, gefühlsmäßig-assoziativer Bilderrausch.

2. REPARER LES VIVANTS- Katell Quillévéré
REPARER LES VIVANTS enthält die schönste Szene des Kinojahres. Zwei junge Menschen gehen durch eine sonnendurchflutete Straße auf die Métro-Station zu. Sie verabschieden sich, der Junge fährt rasch mit seinem Fahrrad an die nächste Station, um sie dort zu empfangen. Sie küssen sich. Einige Monate später stirbt dieser Junge bei einem Autounfall und sein Herz soll einer todkranken Frau eingepflanzt werden. Den ganzen Film durchziehen unglaublich schöne und dabei ganz ruhige Szenen, in denen Verbindungen zwischen Menschen gezeigt werden, die auf den ersten Blick unsichtbar scheinen. Es sind kleine Gesten, die vom Kranksein, von sowohl seelisch als auch physisch nie geheilten Wunden und vom Sterben erzählen. Der Film etabliert gleich zu Beginn eine Ästhetik, die so vielschichtig ist, dass er sich von Beginn an auf einer ganz anderen Eben befindet. Das flimmernde Herz, welches immer wieder ein Motiv ist, stellt die Verbindungen aller Menschen dar. Es gelingt Quillévéré, die verschiedenen Personengruppen, die in diesem Film vorkommen, durch eine geradezu ungreifbare Macht zusammenzuhalten und ihnen eine verbindende Ästhetik zu implementieren. Vielleicht zeigt dieser Film in der Symmetrie, die er an beide Handlungsstränge anlegt, vor allem, dass sich all seine Figuren letztlich nach dem Gleichen sehnen. We found love in a hopeless place.

1. PERSONAL SHOPPER-Olivier Assayas
Das absolute Meisterstück des Jahres liefert jedoch Olivier Assayas ab. Mit einer Kristen Stewart, die wohl die beste Leistung ihrer ruhmreichen Karriere zeigt und ihrer ohnehin schon sehr spannenden Figur der Maureen noch sehr viel mehr Facetten hinzufügt. Nie macht sie eine Bewegung oder einen Gesichtsausdruck, den ihre Figur nicht auch machen würde. Sie bewegt sich so zerbrechlich und gleichzeitig selbstbewusst im Raum, wie es ihre Figur verlangt. Assayas inszeniert in brillanten Bildern eine auf besondere Art realistische Welt um sie herum, in der sie sich sowohl als Medium als auch als Einkäuferin beweisen muss. Wenn ihr dabei immer wieder von einer unbekannten Person Nachrichten auf das Handy gesendet werden, dann ist dies wahrscheinlich das erste Mal, dass dieses Objekt im Kino als dezidiert kinematographisches Objekt betrachtet werden kann. Der Geist in diesem Film ist nicht nur das auftauchende Ektoplasma, sondern auch Maureens Familiengeschichte, ihre persönliche Geschichte. In PERSONAL SHOPPER wird auf jeder Ebene, in jeder Szene etwas erzählt, ob es nun laut oder leise, hell oder dunkel, warm oder kalt ist. Der Film fängt moderne Technologien als etwas ein, dass in der Realität existent ist. Und das ist nur ein Bruchteil dessen, was man über diesen besten Film des Jahres sagen könnte.

Gedankenreste:
-Twin Peaks: The Return (David Lynch): Kein Anfang, kein Ende, kein Himmel, keine Hölle. Ein einziger, unendlicher Bilderstrom. Konstruktion, Dekonstruktion. Eine Wunde, die niemals heilen wird, aber das Bild arrangiert sich damit. Ein Finale, das alles auflöst, was das Medium ausmacht und es wortlos im Dunkeln stehenlässt. Mehr bewegt hat mich in diesem Jahr nichts.
-In the Mood for Love (Wong Kar-Wai): Ein Film darüber, dass man Liebe niemals nachempfinden kann, sondern immer nur selbst erleben kann.
-Dunkirk (Christopher Nolan): Sicherlich einer der interessanteren Nolan-Filme der letzten Jahre, wirklich gefallen hat er mir trotz allem nicht. In seiner visuellen Gestaltung ist sehr schnell klar, was er uns erzählen möchte, in seinem gewollt unordentlichen Panorama steckt am Ende dann doch etwas zu viel Kalkül.
-Juste la fin du monde (Xavier Dolan): Schrecklich selbstverliebtes Kino, das den Schmerz seiner Figuren ausschließlich in Großaufnahmen darstellen kann. Ein Kino der Simplifizierung, das ganz daraufsetzt, dass dem Zuschauer alles sowieso schon bekannt ist und er dem nichts mehr hinzuzufügen braucht. 

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