Corneliu
Porumboius neuer Film "Infinite Football" beginnt so, wie
Abende nach Amateurfußballspielen in der Vereinskneipe enden: Ein
mittelalter Mann erzählt von einer lebensprägenden Verletzung beim
Fußball, in der Vereinskneipe gerne noch garniert mit einem Verweis
auf die große Karriere, die durch den Tritt des ungelenken
Gegenspielers verhindert wurde. Porumboius mittelalter Mann findet
einen anderen Weg als biertrunkene Abende neben rumänischen Sportplätzen, für ihn bedeutet der lebensverändere Tritt den ersten
Schritt auf dem Weg zu der Erkenntnis, dass nicht die Spieler,
sondern der abgesteckte systemische Rahmen, die Fußballregeln,
fehlerhaft sind.
Laurentiu,
so der Name des Visionärs, möchte das Spiel befreien und sein
wichtigster Ansatz ist die Befreiung des Balles, den er vom
vermeintlichen zum tatsächlichen Star des Spiels machen möchte. Die
Verletzung, die ihn nicht nur der Möglichkeit des Fußballspielens
beraubte, sondern auch seinen universitären Werdegang verhinderte,
lässt Laurentiu erkennen, dass Fußball einen definitionsoffenen
Raum darstellt, dessen Gestaltungs- und Veränderungsmöglichkeiten
nur durch traditionalistische Ideen beschränkt werden. Im Verlauf
des Films wird deutlich, dass sich Laurentiu auch in seinem
beruflichen Leben nach Gestaltungsraum sehnt, Versuche der Emigration
in die USA wurden durch den 11. September zunichte gemacht und auch
Besuche in der Europäischen Union verliefen eher ernüchternd. Die
einzige Konstante bleibt der Fußball, dessen eskapistische Wirkung
jedes Wochenende aufs neue in den Stadien der Republik zu beobachten
ist. An dieser Stelle bricht Porumboius Film (gemeinsam mit
Laurentiu) jedoch mit der Vorstellung eines freieren Spiels, es wird
deutlich, dass die politische Utopie (die Porumboiu, der während des
ganzen Films den schweigsamen Gesprächspartner gibt, Laurentiu am
Ende unterstellt) eine objektbetonte ist, nicht das Spiel soll
befreit werden, sondern der Ball, das leblose Objekt soll in den
Fokus rücken.
"Being
mobile brings a lot of disadvantages" sagt Laurentiu und es
liegt sicherlich nicht fern, dies auch auf seine erlittene
Beinverletzung zurückzuführen, wie seine ganze Revolution des
Fußballs auf diese Erfahrung rekurriert. Mobilität als Konzept
funktioniert in seinem Konstrukt nur als objektbezogene
Fortbewegungsart, gedankliche Flexibilität und Erfindungsreichtum,
wie er in modernen Spiel- und Trainingsformen zweifelsohne gefragt
ist, proklamiert seine Vision als Behinderungen eines
instituionalisierten Spiels.
Laurentiu
wirkt wie ein Bürokrat, was durch seinen Job in einer ominösen
Behörde noch unterstützt wird, seine wichtigste berufliche Aufgabe
scheint die Einteilung von Beamtenpost in unterschiedliche
Wichtigkeitsklassen zu sein, doch seinem ganzen, mitunter recht
verzweifelt wirkenden, Kampf um ein Spiel nach seinen Vorstellungen
(dem Fußball 2.0, 2.1, 2.9) liegt eine anrührende Traurigkeit, aber
auch Unbeugsamkeit inne. Den Kampf gegen Institutionen (ohne das
abgedroschene Bild des Windmühlenbekämpfers zu bemühen) führt er
noch aussichtsloser als die vielen normalen Fußballfans, die sich
gegen die Kommerzialisierung durch FIFA, UEFA, DFB etc. wehren, er
führt ihn auf einer wesentlich basaleren Ebene, indem er versucht,
die Definitionshoheit über den Fußball zurückzugewinnen. Oder
sogar den Beweis zu erbringen, dass Fußball keine Definition
benötigt, Fußball ist das, was der Einzelne daraus macht.
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