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Donnerstag, 22. Februar 2018

Football is for you and me - Corneliu Porumboius "Infinite Football"

Corneliu Porumboius neuer Film "Infinite Football" beginnt so, wie Abende nach Amateurfußballspielen in der Vereinskneipe enden: Ein mittelalter Mann erzählt von einer lebensprägenden Verletzung beim Fußball, in der Vereinskneipe gerne noch garniert mit einem Verweis auf die große Karriere, die durch den Tritt des ungelenken Gegenspielers verhindert wurde. Porumboius mittelalter Mann findet einen anderen Weg als biertrunkene Abende neben rumänischen Sportplätzen, für ihn bedeutet der lebensverändere Tritt den ersten Schritt auf dem Weg zu der Erkenntnis, dass nicht die Spieler, sondern der abgesteckte systemische Rahmen, die Fußballregeln, fehlerhaft sind.

Laurentiu, so der Name des Visionärs, möchte das Spiel befreien und sein wichtigster Ansatz ist die Befreiung des Balles, den er vom vermeintlichen zum tatsächlichen Star des Spiels machen möchte. Die Verletzung, die ihn nicht nur der Möglichkeit des Fußballspielens beraubte, sondern auch seinen universitären Werdegang verhinderte, lässt Laurentiu erkennen, dass Fußball einen definitionsoffenen Raum darstellt, dessen Gestaltungs- und Veränderungsmöglichkeiten nur durch traditionalistische Ideen beschränkt werden. Im Verlauf des Films wird deutlich, dass sich Laurentiu auch in seinem beruflichen Leben nach Gestaltungsraum sehnt, Versuche der Emigration in die USA wurden durch den 11. September zunichte gemacht und auch Besuche in der Europäischen Union verliefen eher ernüchternd. Die einzige Konstante bleibt der Fußball, dessen eskapistische Wirkung jedes Wochenende aufs neue in den Stadien der Republik zu beobachten ist. An dieser Stelle bricht Porumboius Film (gemeinsam mit Laurentiu) jedoch mit der Vorstellung eines freieren Spiels, es wird deutlich, dass die politische Utopie (die Porumboiu, der während des ganzen Films den schweigsamen Gesprächspartner gibt, Laurentiu am Ende unterstellt) eine objektbetonte ist, nicht das Spiel soll befreit werden, sondern der Ball, das leblose Objekt soll in den Fokus rücken.

"Being mobile brings a lot of disadvantages" sagt Laurentiu und es liegt sicherlich nicht fern, dies auch auf seine erlittene Beinverletzung zurückzuführen, wie seine ganze Revolution des Fußballs auf diese Erfahrung rekurriert. Mobilität als Konzept funktioniert in seinem Konstrukt nur als objektbezogene Fortbewegungsart, gedankliche Flexibilität und Erfindungsreichtum, wie er in modernen Spiel- und Trainingsformen zweifelsohne gefragt ist, proklamiert seine Vision als Behinderungen eines instituionalisierten Spiels.

Laurentiu wirkt wie ein Bürokrat, was durch seinen Job in einer ominösen Behörde noch unterstützt wird, seine wichtigste berufliche Aufgabe scheint die Einteilung von Beamtenpost in unterschiedliche Wichtigkeitsklassen zu sein, doch seinem ganzen, mitunter recht verzweifelt wirkenden, Kampf um ein Spiel nach seinen Vorstellungen (dem Fußball 2.0, 2.1, 2.9) liegt eine anrührende Traurigkeit, aber auch Unbeugsamkeit inne. Den Kampf gegen Institutionen (ohne das abgedroschene Bild des Windmühlenbekämpfers zu bemühen) führt er noch aussichtsloser als die vielen normalen Fußballfans, die sich gegen die Kommerzialisierung durch FIFA, UEFA, DFB etc. wehren, er führt ihn auf einer wesentlich basaleren Ebene, indem er versucht, die Definitionshoheit über den Fußball zurückzugewinnen. Oder sogar den Beweis zu erbringen, dass Fußball keine Definition benötigt, Fußball ist das, was der Einzelne daraus macht.

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