Ein zweites Jahr, in dem wie so
viele Dinge auch das Kinojahr einen schwer vorhersehbaren Verlauf nahmen.
Eigentlich lässt sich in diesem Jahr gar nicht mehr wirklich von einem Kinojahr
sprechen, wie sinnvoll das vorher auch gewesen sein mag, weil das, was einem an
aktuellen Filmen so begegnet ist, keiner Jahreslogik mehr folgt, sondern an den
verschiedensten Orten auftaucht und auch wieder verschwindet. Aber dieser
Zeitlogik sind diese Listen sowieso immer nur als Ausgangspunkt gefolgt. Daher
auch in diesem Jahr wieder zehn Filme, die mir etwas bedeutet haben.
10. ANNETTE (Leos Carax)
Ich habe dieses Jahr fast alle Filme von Carax gesehen und während ich
mit den früheren Sachen nicht immer allzu viel anfangen konnte, haben mir
sowohl HOLY MOTORS als auch ANNETTE sehr gefallen, weil sie die unbändige
Energie und Leidenschaft von Carax und seine gewaltvollen Bilder in eine Form
gesetzt bekommen, die eine Reflektiertheit und Sanftheit im Umgang mit Bildern
ausdrückt, ohne etwas von ihrer Kraft zu verlieren. Das Musical, eine der
tollsten Formen des reinen Kinoausdrucks, setzt die Versatzstücke der
Geschichte von Henry und Ann in bisweilen rätselhafte Bilder zusammen, ohne
dass diese zu einem finalen Schluss zusammenkommen. Die gegensätzlichen Figuren
des riesigen, verletzen männlichen Egos und der ruhigen Stärke und Präsenz von
Ann prallen so sehr aufeinander, dass sie sich gemeinsam mit dem Film ständig
versichern müssen, wie sehr sie einander lieben. Carax‘ Doppelbödigkeit ist
aber nicht daran interessiert, dies als Lüge zu entlarven, sondern interessiert
sich in seiner Brutalität und Verspieltheit dafür, wie Selbstbilder entstehen
und wie sie ganz von selbst zum Einsturz gebracht werden können. Und seien wir
ehrlich: wie könnte man einen Film mit dieser Präsenz einer Bauchrednerpuppe
nicht mögen?
9. BENEDETTA (Paul Verhoeven)
Es gab einige schöne Kinomomente in diesem Jahr, aber ein
Gefühl wie beim neuen Verhoeven-Film hat sich bei mir sonst nicht eingestellt,
weil BENEDETTA sich von der ersten Sekunde anfühlt wie ein Film, der nichts
falsch machen wird und dessen Richtung und Qualität von der ersten Sekunde an
klar ist. Das Nonnen-Kloster als ein Ort, in dem die Zuspitzung des
Zusammenhangs von Sexualität und Religion in einem hierarchischen System
ständig zu explodieren scheint und die nur scheinbar vorhandene Außenwelt, die
im Film quasi komplett ausgelassen wird. Das Interesse des Films, und das macht
er auf handwerklich fantastische Art und Weise, dient den Dynamiken und
Abgründen seiner Figuren, wie sie sich zueinander verhalten und was sie
antreibt. Die Religion wird in Form von bis zum Ende unklar bleibenden
Traumsequenzen einer abgedrehten Jesus-Figur als etwas beobachtet, dessen große
gesellschaftliche und politische Macht sich aus Bildern, Gefühlen und
Einschreibungen in menschliche Körper herleiten lässt. Verhoeven interessiert
sich wenig dafür, dem Reiz der Religionskritik zu verfallen, zu viel Spaß macht
ihm die Beobachtung und das Offenlegung des eigenen filmischen Voyeurismus. Die
lesbische Beziehung zweier Nonnen im 17. Jahrhundert ist für ihre Umwelt ein
dermaßen skandalöser Vorgang, dass alle Hemmungen und alles Zurückhaltende von
ihr abfällt. Die Unterhaltsamkeit und das Skandalöse einer solchen Geschichte lässt
sich am Ende auch nur in der Art und Weise einfangen, die Verhoeven hier wählt
und sie bleibt bis zum letzten Bild konsequent.
8. YOU DESERVE A LOVE (Hafsia Herzl)
Eine sehr schöne und tolle Entdeckung, weil Hafsia Herzl
anscheinend sehr viel kluge Gedanken und Beobachtungen aus ihrer Zusammenarbeit
mit Abdellatif Kechiche mitgenommen zu haben scheint. Ihre Erzählung der
Geschichte einer untröstlichen jungen Frau namens Lila, die ihren Liebeskummer
nicht vergessen, sondern voll ausleben möchte, ist so nah an ihrer
Protagonistin dran, dass schon sehr früh jede Distanz zu ihrer Figur
verschwindet. Aus dieser Nähe zur eigenen Figur entsteht eine Form der
Parteinahme, die das Ausleben der eigenen, weiblichen Sexualität nicht als
problematisch oder selbstzerstörerisch anprangert, sondern ihrer Protagonistin
jeden Fehltritt und jede überstürzt wirkende Entscheidung aus vollstem Herzen
zugesteht und sie darin unterstützt. Eine Handlung hat der Film nur im
Entferntesten, alle Geschichten sind nur Momentaufnahmen, die in Lilas
Wahrnehmung auch wieder verschwinden können. Ich mag Filme, die ihre Figuren
gerne mögen, mit ihnen mitfühlen und sie vor der Umwelt zu beschützen, die
immer wieder versucht, mit Gewalt in das Leben und die Wahrnehmung ihrer
Figuren einzudringen.
7. LE PRINCE (Lisa Bierwirth)
Einer der wenigen Filme über (Post-)Kolonialismus in
Deutschland, dem es gelingt, nicht auf der Ebene der Phrasen und Thesen zu
verbleiben, sondern die zu stellenden Fragen tatsächlich in den Mittelpunkt des
filmischen Geschehens zu stellen, ohne die Figuren zu reinen Projektionsflächen
zu degradieren. Die subtile Art und Weise, mit der Bierwirth die Beziehung von Monika
und Josef (sehr toll: Ursula Strauß und Passi) immer weiterentwickelt, rückt
die Unvereinbarkeit ihrer Geschichten in den Fokus. Die Kunst- und Kulturwelt
wird hier nicht nur auf ihre nur oberflächlich und durchaus koloniale
Weltoffenheit hingewiesen, sondern als ein gänzlich verschlossenes System gezeigt,
in dem Kunst aus anderen Ländern oder Kulturen zum einen Ware und zum anderen
etwas fremdes ist, dass nur in bestimmten Kontexten seinen Weg in den Westen
finden darf. Die Liebe ist ein stetiger Aushandlungsprozess der gegenseitigen
Anziehung und sie wird in LE PRINCE ständig davon zerrissen, dass sie eben
nicht aus subjektiven und individuellen Gefühlen besteht, sondern auch von der
Herkunft und Gesellschaft um sie herum geprägt ist.
6. THE TROUBLE WITH BEING BORN (Sandra Wollner)
Die Subtilität und das Grauen, welches Sandra Wollners
neuer Film schon in seinem Titel trägt, verlässt einen auch den ganzen Film
über nicht. Die Geschichte des Androiden ist wie so häufig keine, die nur etwas
über die Maschinen erzählt, aber kaum ein Film über die Maschinen war bisher so
konsequent darin, ihre Perspektive einzunehmen, um dann aber wiederum
festzustellen, dass diese gar nicht von der menschlichen zu trennen ist. Die
Menschen haben die Maschinen erschaffen und sie damit in unsere Welt gesetzt.
Sie sind ausgelagerte, menschliche Sehnsüchte, aber wir können uns nicht davon
lösen, dass sie nicht nur aus unseren Gedanken bestehen, sondern auch etwas
unbestimmtes, eigenes besitzen. Diese schreckliche Konsequenz spielt der Film
in seinen ruhigen Bildern mit aller Macht aus. Nicht die Maschinen und
Androiden tun den Menschen etwas schreckliches an, sondern im Gegenteil:
dadurch, dass sie ein fiktives Produkt menschlicher Sehnsüchte sind, zeigen sie
nur, zu welch‘ grausamen Dingen der Mensch in der Lage ist.
5. HERR BACHMANN UND SEINE KLASSE (Maria Speth)
Die Offenheit und Bedeutsamkeit, mit der Maria Speth die
Klasse 6b einer Schule in Stadtallendorf beobachtet, hat einige der schönsten
Beobachtungen dieses Kinojahres hervorgebracht. HERR BACHMANN UND SEINE KLASSE
ist kein Film über das deutsche Schulsystem und auch kein Film darüber, welche
Utopien in diesem möglich wären. Es geht ihm mehr darum, zu zeigen, wie
kompliziert und schwierig das Zusammenleben in einer Gesellschaft ist. Die
permanenten Aushandlungsprozesse, die zwischen den Schüler*innen und zwischen
ihnen und ihren Lehrer*innen stattfinden, werden von Speth und Vorschneider in
aller Ruhe und Geduld beobachtet, um das, was sich in diesem Klassenzimmer
abspielt, sehr nah erfahrbar zu machen. Die unterschiedlichen Herkünfte und daraus
resultierenden Wünsche der Kinder zeigen zum einen, wie sehr die soziale Herkunft
eines Menschen alle anderen Eigenschaften beeinflusst und zum anderen sind es
berührende Geschichten von Kindern, die versuchen, sich in der Welt
zurechtzufinden, mit all der Klugheit und dem Humor, der Kindern nun einmal
innewohnt. Speth hat einen Film geschaffen, der wie kaum ein zweiter die Frage
nach Solidarität stellt und danach, wie das Zusammenleben von Menschen organisiert
werden kann. Die Art und Weise, die Herr Bachmann seinen Schüler*innen vermittelt,
hat weniger etwas mit Pädagogik zu tun, sondern viel mehr mit dem Wunsch nach
einem empathischen und freundlichen Umgang miteinander. Es ist ein großer Verdienst
des Films, dass er all die simplifizierenden Diskurse, die um das Thema
Migration und Klasse in Deutschland so herumschwirren, außen vor lässt und, hier
ist er fast schon einen Gegenpol zu Wiseman, rein auf das Beobachten der Handlungen
bedacht ist und das Systemische beinahe gänzlich außen vor lässt.
4. KUNST KOMMT AUS DEM SCHNABEL WIE ER GEWACHSEN IST (Sabine
Herpich)
Wenn es eine Sache gibt, die einige Filme auf dieser
Liste verbindet, dann ist es die Beobachtung von den Funktionsweisen des Zusammenlebens.
Wenn auch auf andere Art als Maria Speth es tut, ist auch dies ein Film, der
die Beobachtung eines Phänomens größtenteils aus der Innensicht und der Nahen
heraus beobachtet. Herpich offenbart sich bisweilen sogar selbst als
Regisseurin, wenn sie den Mitgliedern der Künstler*innengruppe Mosaik für
Menschen mit Behinderung aus dem Off heraus Fragen stellt. Kunst wird hier als
Arbeit betrachtet, als etwas, dass im Zusammenspiel von Menschen entsteht, aber
eine große körperliche und geistige Konzentration erfordert. Der Blick des
Films weitet sich mit jedem Schnitt, jedem Bild und erschafft eine Vorstellung
von Kunst als Gemeinschaftsarbeit, die an Orten stattfindet, mit anderen
Menschen zusammen und sich nicht in einer rein biographischen Logik denken
lässt. Interessanterweise rücken die Einschränkungen der Künstler*innen für
einen Großteil des Films in den Hintergrund und das Institutionalisierte und
Gemeinschaftliche steht im Fokus, bis zum Aufeinandertreffen der Gemeinschaft
mit dem Kunstmarkt. Hier wird in einer faszinierenden Sequenz deutlich, dass der
Kunstmarkt und auch der Rest der Gesellschaft keinerlei Fähigkeit zur Auseinandersetzung
mit den Menschen und ihrer Kunst besitzt, sondern versucht das, was dort
geschieht, in die eigenen Kategorien einzusortieren. Die Behutsamkeit und
Offenheit, mit der Herpich, wie in ihren anderen tollen Filmen auch, an die
Menschen und die Kunst herangeht, hat etwas extrem würdevolles.
3. DAS MÄDCHEN UND DIE SPINNE (Roman & Silvan Zürcher)
Auch die Zürcher-Brüder setzen sich in ihrem neuen Film
damit auseinander, wie Menschen miteinander kommunizieren. Lisa zieht aus, ihre
Freunde und Mara helfen ihr dabei. Viel mehr passiert narrativ betrachtet hier
nicht, aber das, was sich zwischen den Menschen abspielt, besitzt alle Facetten
der menschlichen Kommunikation. Der Ausgangspunkt des Films ist, dass alle Figuren
nicht in der Lage sind, anderen Menschen gegenüber auszudrücken, was sie fühlen.
Sie sprechen einzelne, tonlose Sätze zueinander, blicken sich an und lügen ohne
rot zu werden. Ihre Gesichter erzählen von einer großen Sehnsucht danach, dem
Gegenüber endlich einmal sagen zu können, was man fühlt und sich nicht mehr
verstecken zu müssen. Diese Verzweiflung der Figuren setzen die Zürchers auf
allen Ebenen außer der Dialogischen in Szene. Die Töne im Hintergrund und das
immer wieder anklingende Voyage, Voyage schaffen eine tonale Ebene, die weit
über das reine Geschehen hinaus von Sehnsüchten und Träumen erzählen. Auch das
Verhältnis von Lisa und Mara bleibt bis zum Schluss unbestimmt. Lisa zieht aus
der WG aus, sie scheint in einem anderen Lebensabschnitt angekommen zu sein,
während Mara das Gefühl nicht loslässt, dass die Erwachsenen, zu denen sich
Lisa nun zählen möchte, ihre Tränen und ihre Unfähigkeit zu kommunizieren nur
besser verstecken können. Sie ist dazu nicht bereit und in den wunderschönen
sonnigen Bildern des Films findet sie eine Art und Weise sich auszudrücken. Im
schönsten Bild des Films blickt sie aus dem Fenster zu einer Apothekerin, die
nur zwei Nahaufnahmen im Film bekommt. Aber wenn das Kino etwas kann, dann ist
es in zwei Bildern ein ganzes Leben zu erzählen.
2. FABIAN ODER DER GANG VOR DIE HUNDE (Dominik Graf)
Eine Anfangssequenz, die bereits etwas deutlich macht.
Die Kamera geht durch eine U-Bahn-Station aus der heutigen Zeit in die entrückte
Vergangenheit der 30er-Jahre. Grafs Kästner-Verfilmung kommt dem, was Kästner in
seinem Schlüsselwerk der Weimarer Republik vermittelt, in einer filmischen Form
am nächsten. Fabian als Mischung aus der Romanfigur und Kästner selbst, als eine
der konsequentesten Figuren, die bis zum Schluss in den eigenen Ideen verhangen
bleibt und gleichzeitig die große Liebe fühlt, was ihn zum Schluss zerreißen
wird. Gleichzeitig ist es ein Film über die Lügen der damaligen und der heutigen
Zeit, dem unbewussten Wissen von dem Schrecken, der bevorsteht, aber noch nicht
geschehen ist. Das Auseinanderbrechen von etwas, wird bei Graf nicht durch die
Anwesenheit der Nazis gezeigt, sondern durch diejenigen, die deren Schreckensherrschaft
erst ermöglichen. Das Ineinanderschieben von Zeitebenen, wie als Fabian (ausnahmsweise
toll: Tom Schilling) über einen Stolperstein läuft, dient keiner reinen
Bezugnahme auf die Gegenwart, sondern versucht sich daran Verbindungen zwischen
Zeiten herzustellen. Dass es Graf gelingt, neben diesen politischen Aspekte, die
für ihn immer schon Bildpolitik in alle Richtungen sind, noch eine Liebesgeschichte
zu erzählen, die durch Albrecht Schuch und vor allem Saskia Rosendahl eine emotionale
und tragische Tiefe bekommt, zeigt seine enorme inszenatorische Kraft und Energie.
Vielleicht lässt sich diese Art von Geschichten, wie auch schon DIE GEIEBTEN
SCHWESTERN, nur mit dieser Energie erzählen, weil der Film ansonsten kaum eine
Chance hat, gegen diese Wucht anzukommen. FABIAN ODER DER GANG VOR DIE HUNDE
zeigt das, was er im Titel verspricht, denn hier geht etwas vorbei, es bricht
etwas auseinander und alle wissen es.
1. BERGMAN ISLAND (Mia Hansen-Love)
Vermutlich eine vorhersehbare Wahl, aber nichtsdestotrotz
hat mich kein Film in diesem Jahr so beeindruckt wie BERGMAN ISLAND. Kein Film
hat sich dieses Jahr so frei und schön angefühlt, über kaum einen Film habe ich
so gerne nachgedacht und gesprochen wie diesen. Das Künstlerpärchen Chris und Tony
fährt nach Farö, um dort an ihren neuen Drehbüchern zu arbeiten. Tony ist ein
wenig älter, ein wenig erfolgreicher und ihm fällt das Schreiben leichter. Wie
immer bei Hansen-Love gibt es kein wirkliches Narrativ, sondern sie lässt
verschiedene Szenen und Montagen geschehen und versucht, das Verhältnis der
Figuren zueinander und zu ihrer Kunst nachvollziehbar zu mache. Es verbietet
sich aber, hier nach Antworten auf die Fragen zu suchen, sondern der Film
fließt im sonnigen Sommer von Farö vor sich hin und folgt Chris und Tony beim
Spazierengehen, Baden und (Nicht-) Schreiben. Bis auf die Tourist*innen, die
die Bergman Safari im Bus machen, kommt niemand wirklich schlecht weg, sondern
die Menschen sind verschieden und akzeptieren sich in ihrer Verschiedenartigkeit.
Natürlich ist die durchaus männlich konnotierte Art und Weise, mit der Tony
seine Filme schreibt, etwas unsympathisch, aber Chris und auch Mia Hansen-Love
sind nicht daran interessiert, ihn bloßzustellen, sondern daran, einen eigenen
Blick, eine eigene Sprache zu entwickeln, die Tonys in den Schatten stellt.
Während dieser die Aufmerksamkeit bekommt und über seine Frauenfiguren reden
darf, verlässt Chris das Kino und lässt sich Orte jenseits des Bergmann-Tourismus
zeigen. Sie möchte ihren eigenen Blick auf die Insel und die Kunst entwickeln. Wo
der Film in der ersten Hälfte viel Freude an den eigenen Bewegungen und der
eigenen Offenheit hat, vollführt er in der zweiten Hälfte, in der wir im Film
den neuen Film von Chris sehen, eine wunderbare Wendung, die entgegen der
Erwartung aber nicht einfache Rückschlüsse auf die eigentliche Geschichte
zulässt, sondern den Blick und die Erzählweise, die Chris den ganzen Film über
versucht zu entwickeln, konsequent in eigene filmische Bilder verwandelt. Was
für eine meisterhafte Filmemacherin Hansen-Love ist, zeigt sich in der großen
Musik-Szene, die ebenso wie in dem tollen EDEN, nur in diesem einen Moment
passend und nicht albern wirkt. Das Tanzen und Singen eines ABBA-Liedes auf
einer Hochzeit auf einer schwedischen Insel. Der Übergang zwischen dem eigenen Leben
und dem Kino verschwindet in BERGMAN ISLAND beinahe endgültig, aber nicht
insofern, als dass man im Kino das eigenen Leben betrachtet. Das Kino bietet
einem die Möglichkeit, einen eigenen Ausdruck zu finden und das, was man denkt
und fühlt, in eine Welt zu übertragen, die trotz ihrer Fiktionalität doch ganz
zu uns selbst gehört. The winner takes it all.
Gedankenreste:
Frühling mit Mikio Naruse. Sommer mit Éric Rohmer. Herbst
mit Leos Carax. Winter mit Hong-Sang Soo.
Shaolin Soccer (Stephen Chow): Eine neue Lieblingsszene: Amuis
Teigwaren beginnen auf einmal bitter und salzig zu schmecken und Sing begreift
im Moment des Essens, dass sie ihre Tränen in den Teig eingebacken hat.
Serependity (Peter Chelsom): Ein Film für einen kalten
und traurigen Sonntagabend. Wie könnte man Kate Beckinsale und John Cusak nicht
verfallen.
The Dead Zone (David Cronenberg): Gesehen in einer sehr
schönen Kopie im Filmmuseum mit deutschen und französischen Untertiteln. Sehr
toll erzählte Geschichte, gerade in der Tragik, die ihr schon von Beginn an
innewohnt.
Treme (David Simon, HBO): Wrap your troubles in dreams. Eine der tollsten
und würdevollsten Serien überhaupt und allen Debatten über Kultur so meilenweit
voraus.
Riverdale (S1-3): In keine Stadt bin ich dieses Jahr so gerne gegangen wie nach Riverdale.
Mieses Leben (Haiyti): Mich tröstet der Nieselregen.
Werder Bremen-Borussia Mönchengladbach (22.5.2021): Die
Stille nach dem Abpfiff hat etwas mit mir gemacht. Und trotzdem bleibt’s dabei,
wie’s kommt ist einerlei, man kann ja nicht aus seiner Haut.
Die Sprosse (3.12.2021): Die Gute Stute nach draußen getragen.
Magnus Carlsen-Ian Nepomniachtchi (5.12.2021, Schachweltmeisterschaft,
Partie 8): Das brutalste am Schachspielen ist, dass ein einziger Moment dein
Herz brechen kann.
Bianca Bel-Air.
10 neue Lieblingsfilme im Jahr 2021
1. Goodbye Dragon Inn (Taiwan 2003, Tsai Ming-liang)
2. 11x14 (USA 1977, James Benning)
3. Liz and the Blue Bird (Japan 2018, Naoko Yamada)
4. L’ami de mon amie (Frankreich 1987, Éric Rohmer)
5. The Shop around the corner (USA 1940, Ernst Lubitsch)
6. All I Desire (USA 1953, Douglas Sirk)
7. Legend of the Mountain (Taiwan/Hongkong 1979, King Hu)
8. A Silent Voice (Japan 2016, Naokoa Yamada)
9. Apart from You (Japan 1933, Mikio Naruse)
10. Mädchen in Uniform (Deutschland 1958, Géza von Radványi)
Funkdramatik (Für alles.)
Nach dem Kino (Für das Sprechen.)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen