Die
Frage nach Sprache und Übersetzung im Kino ist eine sehr grundlegende und wird,
so scheint mir, auf die Verteidigung eines bizarren Original-Fetischismus
reduziert. Eine wesentlich vielfältigere Herangehensweise an dieses und andere
Themen bieten die Filme von Sky Hopinka, einem jungen amerikanischen
Filmemacher, der (meines Wissens nach) Teil der Ho-Chunk Nation ist, einem
indigenen Volk, das Teil der Sioux-Sprachfamilie ist und deren Sprache er
sowohl lehrt, als auch in seinen Filmen verarbeitet.
In den
Filmen von Sky Hopinka geht es ganz grundlegend um die Frage, wie man die Welt
durch etwas betrachten kann. Interessanterweise steht dabei nicht primär die
Kamera im Fokus, sondern alle möglichen Spielarten des filmischen Ausdrucks und
nicht zuletzt die Frage, welche ästhetischen Möglichkeiten indigene Sprachen
abseits des rein linguistischen Ausdrucks bieten können.
Am
Anfang von “Kunįkága Remembers Red Banks, Kunįkága Remembers the Welcome Song” blickt
die Kamera minutenlang durch ein
verregnetes Autofenster, während im Hintergrund eine Geschichte erzählt wird.
Bereits hier lässt sich die immer fortwährende Parallelität von Text und
Beobachtung erkennen. Die Kamera illustriert dabei nicht die erzählte
Geschichte, sondern beide Ebenen fungieren als eigenständige Ausdrucksmöglichkeiten.
Die Kamera ist dabei geradezu nebensächlich, sie ist nicht mal eine wirklicher
Beobachter, sondern dient eher der Verortung des Zuschauenden im filmischen
Raum. Im Anschluss an die Autofahrt, bewegt sie sich langsam auf ein Meer zu
und zeigt schließlich nur noch das Wasser. Viel wichtiger ist hier jedoch die
große Lautstärke eben dieses Wassers, die diese Szene dominiert. Auch hier
zeigt sich, dass Hopinka keine Szenerien erzählen möchte, sondern diese ethnographischen
Beobachtungen, die z.B. in „Visions of an Island“ noch stärker zu Tage treten,
für den Zuschauer unmittelbar erlebbar machen möchte. Dabei reißt er bereits in
diesem ersten Film die Frage an, die sein Werk durchzieht und zwar die nach dem
Zusammenhang von Wahrnehmung, Natur und Sprache. Dabei findet sich hier auch
ein wichtiges Prinzip seiner Filme, nämlich das Übereinanderschieben von Text-
und Bildebenen im wörtlichen Sinne.
Sowohl
in „Kunįkága Remembers Red Banks, Kunįkága Remembers the Welcome Song” als auch
in “Wawa” finden sich einige Szenen, in denen Text über das Bild läuft. Mal
dient es der Übersetzung einer Erzählung, mal der Erzählung einer
Überlieferung. „Wawa“ ist in dieser Hinsicht ein sehr wichtiger Film für das
Verständnis der anderen Filme, weil er auf recht klare Art zeigt, dass die
Unterschiede zwischen der indigenen Sprache (Wawa) und dem Englischen nicht nur
auf linguistischer Ebene, sondern vor allem in der Tonalität deutlich werden. Um
diese klare Unterscheidung scheint mir Hopinka aber nicht ausschließlich zu
gehen. Wenn er einen Mann in dieser Sprachen sprechen lässt und gleichzeitig in
den Untertiteln sowohl die Übersetzung, als auch deren Vieldeutigkeit klarmacht,
dann zeigt sich dort ein Wille zur Emanzipation, der keine Abgrenzung, sondern
eine Eigenständigkeit produzieren möchte. Im Laufe des Films überlagern immer
mehr Laute, Untertitel und abgefilmter Text einander und münden schließlich in
der Feststellung, dass diese Sprache zu lernen nur durch das Sprechen an sich möglich
sei.
Dieses
Nachspüren der Auditivität und der Wirkung einer Sprache setzt sich auch in „Jàaji
Approx“ fort. Auch hier finden sich wieder eine aus dem Auto heraus gefilmte
Fahrt auf der Autobahn und betörend schöne Naturbilder. Dabei sucht Hopinka
nach Bildern, die er mit alten Tonaufnahmen seines Vaters verbinden kann. Diese
Suche ist assoziativ angelegt und folgt dabei vor allem einem losen Prinzip, das
sich durch die Filme durchzieht, nämlich das der sanften Überlagerung. Die
Naturbilder sind nicht perfekt gesetzt oder als dokumentarische Aufnahmen in
Szene gesetzt. Viel mehr lässt sich in jedem von ihnen eine Eigentümlichkeit,
eine leichte Abweichung finden, die das ursprüngliche Bild überlagert, sei es
wieder ein Text oder aber das Bild eines Berges, das in der Oberhälfte des Bildes
auf den Kopf gestellt wird, eine Szene, die sich am Ende des Films mit einem
Sonnenuntergang wiederholt.
Diese Überlagerungen,
die von den Tonaufnahmen noch verstärkt werden, sind auch deshalb so
interessant, weil sie nicht eine feste Sprache evozieren, sondern viel mehr Bilder
einer Sprachlichkeit produzieren. Diese Sprachlichkeit zeichnet sich dadurch
aus, dass sie nicht auf die Übertragung einer feststehenden Erzählung oder
Interpretation ausgerichtet ist, sondern versucht, eine eigenständige
Wahrnehmung zu produzieren. Es mag auch an ihrer durchaus ethnographischen
Herangehensweise liegen, dass die Filme von Sky Hopinka diese Wahrnehmung eben
nicht kennen, sondern man hier miterleben kann, wie sich diese Wahrnehmung
entwickelt. Das scheint mir auch einer der Kernaspekte der indigenen Sprachen
zu sein, die Hopinka immer wieder als filmischen Ausgangspunkt verwendet und
damit, wie Laura Marks es ausdrückte, das Potential dieser Sprachen zum
Unterschreiten von herrschenden Wahrnehmungsnormen nutzt. Auch in „Visions of Island“ finden sich viele der
genannten Aspekte wieder, etwa wenn die Kamera eine Gruppe von Seerobben filmt
und dann auf einmal zurück und eine Treppe heruntergeht. Dabei sucht die Kamera
aus verschiedenen Perspektiven die Insel nach Bildern ab, z.B. in einem der Häuser
oder wieder am Meer und am Strand. Und plötzlich sehen wir wieder das in der
Mittel geteilte Bild, mit einem Tier unten und einer gekippten Menschenansammlung
oben. Neben den vielen wunderschönen Bildern, die der Film hier findet, wird
hier die Mehrdeutigkeit des filmischen Blicks deutlich. Wie der Titel schon
sagt, geht es um verschiedene Blickwinkel auf eine Welt, die aber nicht Personen
oder Figuren zugeordnet werden, sondern die eine Eigenständigkeit als
Blickwinkel besitzen und dem Zuschauer ein besonderes Erleben ermöglichen.
Diese Idee wird in „I’ll Remember You as You Were, Not as What You’ll Become” (Hopinkas
schönster Titel) noch weiterentwickelt. Dieser Film beginnt mit einer
Texteinblendung und anschließendem Chor-Gesang und bunten, abstrakten Figuren
ohne Gesichter, die sich hinter und innerhalb eines Vorhangs bewegen zu
scheinen. Hopinka löst sich hier noch viel mehr als vorher von menschlichen
Figuren und der zu Beginn seiner Filme noch stärker ethnographisch geprägte
Blick weicht einer zunehmenden Abstraktion. Interessanterweise vermischt er
diese abstrakten Bilder mit einem Vortrag einer Frau. Dabei erscheint es mir so,
als wolle der Film hier keinen Konflikt zwischen Welt und Abstraktion erzeugen,
sondern eine Gleichzeitigkeit herstellen, die die gegenseitige Beeinflussung
betont. An einer zweiten Texteinblendung in Form eines Menschen findet sich sogar
ein expliziter Hinweise auf die Bedeutung des Bewusstseins für die menschliche
Existenz. Auch in „Anti-Objects, or Space Without Boundary“ findet sich ein
recht direkter Verweis auf die Methode der Filme von Sky Hopkina: „The image
remains fragmented; it never coalesces“. Die Bilder stehen zwar im Verhältnis doch am Ende eben auch für selbst. Die angesprochene sanfte Überlagerung zeigt eher eine Koexistenz als ein Zusammenfließen.
Am
Ende von „Jàagi Approx“ sieht man einen Mann, der aus seinem Autofenster in
eine Landschaft schaut. Aus seinem offenen Fenster sieht der Himmel bläulich
aus, aus dem hinteren Fenster hat der Himmel jedoch eine gelbliche Farbe
angenommen. Im Hintergrund hört man ein leises Pfeifen. Ein schönes Symbolbild
für einige Filme von Sky Hopinka, in denen es am Ende oft darum geht, auf eine
bestimmte Art und Weise auf die Welt zu blicken und die Frage, welche Sprachen
dabei eine Rolle spielen.
(Die
Filme von Sky Hopinka sind zu einem Großteil auf seinem Vimeo-Account zu finden:
https://vimeo.com/skyhopinka.
Darauf
gestoßen bin ich durch die Shutdown Stories II der Cargo: https://www.cargo-film.de/on-demand/shutdown-stories/shutdown-stories-ii/“)
Dieser
Text wurde von Luca Schepers (@ArafatsSohn) verfasst.
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