Dem Spott, welchem Tom
Hoopers Verfilmung des Bühnenmusicals CATS sich schon nach der Veröffentlichung
des ersten Trailers ausgesetzt sah, mochte ich mich schon von Beginn an nicht
anschließen, da eben jener Trailer einen sehr aufregenden und zumindest
interessanten Film versprach. Und in der Tat ist CATS ein überbordender und
sehr guter Film geworden.
Das liegt zum einen
daran, dass sich der Film von der ersten Sekunde an völlig von jeglicher
Plotgetriebenheit oder dramaturgischer Erzählung loslöst. Es gibt keine
wirkliche Hauptfiguren oder eine Geschichte, maximal einen Bösewicht, der aber
weder wirklich Raum einnimmt, noch großen Einfluss auf den Fortlauf des Films hat.
Dadurch ist der Film eine einzige Aneinanderreihung von Tanz- und
Gesangsszenen, die eine traumhafte Nacht darstellen, die weder ein Vorher noch
ein Nachher kennt, sondern ganz im Hier und Jetzt verortet ist. Der Film ist
die ganze Zeit über nur bei sich und seinen Bildern. Es soll keinerlei
Verortung in der Realität geben, alles geschieht in diese Moment und mehr
braucht es auch nicht. Die einzige Figur, an der man sich orientieren kann,
bzw. deren Ankunft alles Folgende in Gang setzt (wenn man so möchte: Eine
spezielle Form des MacGuffin), ist die ausgesetzte Katze Victoria, der sich
eine neue Welt erschließt, welche sie aber nicht ins Zentrum rückt. Vielmehr
befindet sie sich im gleichen Zustand wie der Kinozuschauer, sie kann nur
staunen und zuschauen, welche Dinge sich dort vor ihren Augen abspielen.
Die Mischung aus
CGI-Katzen und menschlichen Regungen ist nicht gewöhnungsbedürftig, sondern
tatsächlich noch viel spaßiger und auch schöner als ich es erwartet hatte. Denn
auch hier präsentiert der Film eine Art Antithese zum herrschenden Status Quo
des CGIs im amerikanischen Blockbusterkino, welches in vermeintlicher
technischer Perfektion und einem hohen Grad an vermeintlichem Realismus sein
Heil sucht, dabei aber ganz vergisst, dass es im Kino eben nicht nur um
technische Effekte geht (wodurch vor allem bei seinem Publikum eine große
Kunstfeindlichkeit entstanden zu sein scheint). Die liebevolle Mischung aus
Mensch und Katze wirft hier jedenfalls nicht nur die ein oder andere
identitätspolitische Frage auf, sondern verleiht dem ganzen Film auch einen
sehr eigentümlichen Glanz der Imperfektion, welcher durch die wie immer gut
aufgelegte Rebel Wilson und James Cordon, der immer im Zusammenhang mit Musik
plötzlich erträglich wird, noch verstärkt wird. Doch auch der gesamte
Schauspieler-Cast wirkt nicht nach einem geradlinigen Konzept zusammengestellt,
sondern eher bunt zusammengewürfelt, was dem farbenfrohen und fast schon
avantgardistischen Look des Films noch eine weitere Facette hinzufügt.
Denn CATS sucht bis zum
letzten Bild eben nicht nach dem Bezug zur Realität in diesen Bildern, er will
keine Botschaft vermitteln. Viel mehr lässt sich hier eine Freude an einer sehr
puren Form des Bewegtbildes erkennen, mit all seinen Stärken und Schwächen.
Diese Form des Bewegtbildes lässt sich aus vielerlei Gründen vor allem im
Musical wiederfinden, aber der Film lässt sich auch nicht einfach in eine Reihe
mit den großen Hollywood-Musicals stellen, weil dieser klare Bezugsrahmen dem
Film wahrscheinlich zu sehr mit klaren Bedeutungen überfrachten würde. Und so
funktioniert auch nicht jede Tanz- und Gesangseinlage, nicht jede Szene ist perfekt,
aber man hat den Eindruck, dass das auch gar keine Rolle spielt, weil alles an
diesem Film einen so großen Sog auf den Zuschauer ausübt, dass man großzügig
darüber hinwegsehen kann und das Unperfekte und das Scheitern eben ein Stück
weit auch Teil des ästhetischen Konzepts sind. Denn um das Scheitern und die
Sehnsucht geht es auch eigentlich jeder Figur, sei es nun nach dem Himmel oder
der Liebe. Diese starke Emotionalisierung, die ihren Höhepunkt in einer
wunderschönen Version von „Memory“, gesungen von Jennifer Hudson als verstoßener
Katze, findet, ist nicht nur dem klassischen Musical inhärent, sondern
funktioniert auch hier an dieser Stelle, weil diese großen Emotionen, die der
Grund zu sein scheinen, warum Film-Musicals vielerorts auf Häme und Ironie
stoßen, eben ganz und gar ehrlich und so direkt sind, dass sie sich ohne Gesang
gar nicht wirklich ertragen lassen.
Am Ende ist wieder Tag
und die Katzen verschwinden. Auch im Kinosaal geht langsam das Licht an und ich
muss ihn verlassen. Der Traum ist vorbei. Aber schön war er.
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