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Montag, 6. Januar 2020

When the dawn comes, tonight will be a memory- Zu Tom Hoopers CATS


Dem Spott, welchem Tom Hoopers Verfilmung des Bühnenmusicals CATS sich schon nach der Veröffentlichung des ersten Trailers ausgesetzt sah, mochte ich mich schon von Beginn an nicht anschließen, da eben jener Trailer einen sehr aufregenden und zumindest interessanten Film versprach. Und in der Tat ist CATS ein überbordender und sehr guter Film geworden.


Das liegt zum einen daran, dass sich der Film von der ersten Sekunde an völlig von jeglicher Plotgetriebenheit oder dramaturgischer Erzählung loslöst. Es gibt keine wirkliche Hauptfiguren oder eine Geschichte, maximal einen Bösewicht, der aber weder wirklich Raum einnimmt, noch großen Einfluss auf den Fortlauf des Films hat. Dadurch ist der Film eine einzige Aneinanderreihung von Tanz- und Gesangsszenen, die eine traumhafte Nacht darstellen, die weder ein Vorher noch ein Nachher kennt, sondern ganz im Hier und Jetzt verortet ist. Der Film ist die ganze Zeit über nur bei sich und seinen Bildern. Es soll keinerlei Verortung in der Realität geben, alles geschieht in diese Moment und mehr braucht es auch nicht. Die einzige Figur, an der man sich orientieren kann, bzw. deren Ankunft alles Folgende in Gang setzt (wenn man so möchte: Eine spezielle Form des MacGuffin), ist die ausgesetzte Katze Victoria, der sich eine neue Welt erschließt, welche sie aber nicht ins Zentrum rückt. Vielmehr befindet sie sich im gleichen Zustand wie der Kinozuschauer, sie kann nur staunen und zuschauen, welche Dinge sich dort vor ihren Augen abspielen.

Die Mischung aus CGI-Katzen und menschlichen Regungen ist nicht gewöhnungsbedürftig, sondern tatsächlich noch viel spaßiger und auch schöner als ich es erwartet hatte. Denn auch hier präsentiert der Film eine Art Antithese zum herrschenden Status Quo des CGIs im amerikanischen Blockbusterkino, welches in vermeintlicher technischer Perfektion und einem hohen Grad an vermeintlichem Realismus sein Heil sucht, dabei aber ganz vergisst, dass es im Kino eben nicht nur um technische Effekte geht (wodurch vor allem bei seinem Publikum eine große Kunstfeindlichkeit entstanden zu sein scheint). Die liebevolle Mischung aus Mensch und Katze wirft hier jedenfalls nicht nur die ein oder andere identitätspolitische Frage auf, sondern verleiht dem ganzen Film auch einen sehr eigentümlichen Glanz der Imperfektion, welcher durch die wie immer gut aufgelegte Rebel Wilson und James Cordon, der immer im Zusammenhang mit Musik plötzlich erträglich wird, noch verstärkt wird. Doch auch der gesamte Schauspieler-Cast wirkt nicht nach einem geradlinigen Konzept zusammengestellt, sondern eher bunt zusammengewürfelt, was dem farbenfrohen und fast schon avantgardistischen Look des Films noch eine weitere Facette hinzufügt.

Denn CATS sucht bis zum letzten Bild eben nicht nach dem Bezug zur Realität in diesen Bildern, er will keine Botschaft vermitteln. Viel mehr lässt sich hier eine Freude an einer sehr puren Form des Bewegtbildes erkennen, mit all seinen Stärken und Schwächen. Diese Form des Bewegtbildes lässt sich aus vielerlei Gründen vor allem im Musical wiederfinden, aber der Film lässt sich auch nicht einfach in eine Reihe mit den großen Hollywood-Musicals stellen, weil dieser klare Bezugsrahmen dem Film wahrscheinlich zu sehr mit klaren Bedeutungen überfrachten würde. Und so funktioniert auch nicht jede Tanz- und Gesangseinlage, nicht jede Szene ist perfekt, aber man hat den Eindruck, dass das auch gar keine Rolle spielt, weil alles an diesem Film einen so großen Sog auf den Zuschauer ausübt, dass man großzügig darüber hinwegsehen kann und das Unperfekte und das Scheitern eben ein Stück weit auch Teil des ästhetischen Konzepts sind. Denn um das Scheitern und die Sehnsucht geht es auch eigentlich jeder Figur, sei es nun nach dem Himmel oder der Liebe. Diese starke Emotionalisierung, die ihren Höhepunkt in einer wunderschönen Version von „Memory“, gesungen von Jennifer Hudson als verstoßener Katze, findet, ist nicht nur dem klassischen Musical inhärent, sondern funktioniert auch hier an dieser Stelle, weil diese großen Emotionen, die der Grund zu sein scheinen, warum Film-Musicals vielerorts auf Häme und Ironie stoßen, eben ganz und gar ehrlich und so direkt sind, dass sie sich ohne Gesang gar nicht wirklich ertragen lassen.

Am Ende ist wieder Tag und die Katzen verschwinden. Auch im Kinosaal geht langsam das Licht an und ich muss ihn verlassen. Der Traum ist vorbei. Aber schön war er.

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