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Dienstag, 4. Oktober 2016

Geisterhafte Präsenzen - Personal Shopper

PERSONAL SHOPPER – OLIVIER ASSAYAS

Viele der besten Filme von Olivier Assayas sind getrieben von einer unbändigen Lust am Ausprobieren, an der Bewegung und einer enormen Offenheit. Auch "Personal Shopper" bildet keine Ausnahme von dieser Regel. Kristen Stewart spielt die titelgebende Personal Shopperin Maureen, deren Zwillingsbruder Leo drei Monate zuvor aufgrund eines Herzfehlers verstarb, an dem auch Stewarts Figur leidet.
Nun wartet sie auf eine Botschaft ihres Bruders auf dem Jenseits, während sie die Klamotteneinkäufe für eine von Nora von Weilstätten gespielte Starfigur namens Kyra erledigt und das ehemalige Wohnhaus ihres Bruders besucht, um auf ein Zeichen seinerseits zu warten.

Wie schon im Vorgänger-Film "Die Wolken von Sils Maria" interessiert sich Assayas für das Verhältnis zwischen Medien und Kunst, dieses Mal eingebettet in einen Diskurs über die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Maureen beschäftigt sich im Zuge ihres Versuchs der Kontaktaufnahme mit den Werken von Hilna af Klint, einer Malerin, die einen großen Drang zum Spiritistischen hatte und zu den wichtigsten Wegbereiterinnen der abstrakten Kunst gezählt wird. Interessanterweise schaut sie sich deren Bilder nicht nur in Ausstellungskatalogen, sondern auch auf YouTube an. So wird das neue Medium zu einer Ausdrucksform für das alte, das vermeintlich triviale YouTube wird zum Mittler der Hochkultur. Die Vergangenheit findet ihren Weg in die Gegenwart, neue und alte Medien kommunzieren miteinander – ähnlich wie das Jenseits und das Diesseits in diesem von Geistern durchdrungenen Film.

Olivier Assayas hat einen großen Spaß daran, die wunderbaren Klamotten zu filmen, die Maureen für ihre Auftraggeberin besorgt, aber auch viel Freude mit den privaten Outfits der Kristen-Stewart-Figur, die sich in diversen Stilen versuchen darf. Maureens Leben ist durchzogen von geisterhaften Präsenzen, sei es der nur über Skype erreichbare Boyfriend oder Lars Eidingers Figur Ingo, ein Liebhaber von Maureens Chefin, der alleine durch sein Äußeres und seine Intonation eine unwirklich wirkende Ausstrahlung besitzt.

Ein aufrichtiges Interesse an der Funktionsweise und den cinematischen Darstellungsmöglichkeiten moderner Kommunikation liegt "Personal Shopper" zugrunde, darin vielleicht vergleichbar mit Dominik Grafs "Die geliebten Schwestern". Immer wieder erhält Maureen Textnachrichten von einer unbekannte Nummer, was ohne Zweifel ebenfalls etwas geisterhaftes hat. Nie verfällt der Film in zeitdiagnostische Medienkritik, sondern versucht zu ergründen, wo der Zusammenhang zwischen neuen Medien und dem Spiritismus vergangener Generation liegen könnte. Eine weitere Parallele zum Vorgängerfilm: Auch in "Personal Shopper" versucht sich Assayas an einer anderen Art des Mediums, was in Sils Maria noch der Superheldenfilm war, ist hier eine Fernsehversion der spiritistischen Sitzungen des Victor Hugo (sogar mit angepasstem Format!).

"Personal Shopper" ist kein trauriger Film, aber ein Film über Traurigkeit und deshalb ist es nur konsequent, dass der Film endet, bevor das erste Mal Maureens Freund zu sehen ist. Eine Faszination für die Zusammenhängen und gegenseitigen Beziehungen zwischen Medien, dem Diesseits und Jenseits, nicht zuletzt auch zwischen Trauer und Verarbeitung, liegt dem Film zugrunde, offen für alles, immer auf der Suche nach neuen Fragen und neuen Aspekten.

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