In SUPERMARKT gibt es eine sehr bezeichnende Szene für
das Kino des Roland Klick. Sie spielt vor einem Nachtclub im Hamburger Kiez.
Eine Prostituierte, gespielt von Eva Mattes, liegt völlig verzweifelt und
sicherlich auch unter Drogeneinfluss auf dem Boden, neben ihr liegen Spaghetti
auf dem Boden verstreut. Der Protagonist des Films steht in einer
Menschenmenge, die sich das Schauspiel ansieht.
Hier ist alles anders als im Neuen Deutschen Film. Die
Kamera ist unruhig, die Szenerie wirkt auf eine gewisse Art überzeichnet und
doch realistisch. Es wird nicht über ein bestimmtes Thema nachgedacht, es geht
um eine atmosphärische Darstellung. Diese funktioniert über die Präsenz der
Darsteller, die physischen Erfahrungswerte. Es ist schmutzig, verrucht und
kaputt, das Kino des Roland Klick. SUPERMARKT geht an die Substanz, er spielt
in einem verruchten Milieu, welches Klick jedoch zu keiner Sekunde verhöhnt
oder sich über dieses erhebt. Die Hauptfigur Willi lebt mit 18 Jahren auf der
Straße und sein Leben ist eigentlich bereits vorbei. Er hängt einem finalen
Traum des großen Geldes durch einen Banküberfall nach, dem Aufbruch in ein
neues Leben. Klick zeigt hier eine für ihn klassische Dialektik. Die Kamera
bewegt sich wackelig, die Bilder sind düster und wirken sehr real gezeichnet.
Und doch wirkt der ganze Film surreal, man kann ihn nicht richtig greifen. Die
Figuren quälen sich durch die unwirkliche Welt des Hamburger Kiez. Willi ist
eigentlich nur ein Niemand. Doch zwischendurch wirkt er wie ein Rebell, jemand,
der versucht aus der Welt auszubrechen.
Mit DEADLOCK legt Klick einen hochinteressanten und
brillanten Western hin. Mario Adorf als Charles Dump liefert eine wahnsinnige
Performance ab und trägt die ganze Physis dieses Films.
Bereits von der ersten Szene an steht die Luft in diesem Film. Adorfs
anfängliche Überlegenheit gegenüber zwei Gangstern verwandelt sich im Laufe des
Films in einen psychotischen Albtraum, aus dem es kein Entkommen gibt. Die
Musik der Band CAN trägt ihren Teil dazu bei. So fühlt sich ein Albtraum an. Es
sind nicht nur die Menschen um einen herum, die so quälend sind. Es ist die ganze
Landschaft, das gewohnte Bild, welches zu einer hässlichen Fratze wird, welches
einem keine Ruhe lässt. Die Fahrzeuge spielen eine wichtige Rolle in diesem
Film. Das Auto, welches ständig umhergefahren wird und sich ähnlich wie in
Spielbergs „Duell“ zu einem Monster entwickelt, das ausschließlich für den Tod
steht. Eine interessante Dichotomie, die Bewegung steht für einen
bewegungslosen Zustand. Selbst das scheinbar einfach beherrschbare wird zur
Gefahr.
Die Sonne scheint grell vom Himmel, die Hütten sind
verlassen, zwei Männer treffen sich im absoluten Nirgendwo zum Duell. Ob sie es
überleben oder nicht? Wen interessiert das schon. Als würde das Leben in dieser
Welt noch eine Rolle spielen.
WHITE STAR ist gewissermaßen das Opus Magnum von
Roland Klick. Hier stellt er die Quintessenz seines Schaffens aus: Immer auf
der Suche nach der nächsten Eskalationsstufe. Dennis Hopper verkörpert dabei
einen Musikmanager, der in einem aufstrebenden Musiker seine letzte Chance auf
Erfolg sieht und sich dafür mit der Berliner Punkszene anlegt. Er scheut dabei
vor nichts zurück, ebenso wenig wie Klick. Bereits der Vorspann deutet es an,
hier sind Menschen auf der Suche nach den Sternen. Und dann taucht die Kamera
in die neonlampengetränkten Welten der Berliner U-Bahn ein, in die Punkclubs
der Stadt. Genau wie seine Figuren, droht auch der Film jederzeit vor geballter
Energie zu zerspringen. Er erscheint ebenso fragil, wie eine Filmrolle, die
Materialität des Films steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Zerbrechlichkeit
seiner Figuren. An jeder Ecke wartet eine Schlägerei, ein Lebenskampf. Es geht
immer weiter nach vorne, die Grenzen aller Dinge lösen sich auf. Die völlige
Anarchie wird zum beherrschenden Prinzip. Und an dieser Stelle wird diese
scheinbar so anarchische und wilde Welt zu einer Welt, die einer Ordnung folgt
– einer Ordnung, die niemals Ordnung sein möchte.
Die Dreharbeiten sollen die Hölle gewesen sein, Dennis
Hopper war schwer kokainabhängig und es war wohl kaum möglich, ruhige Szenen
mit ihm zu drehen. Aber gerade dieses Durcheinander, dieser Hang zur
Selbstzerstörung machen diesen Film so stark. Hier sind Menschen zu sehen, die
keinerlei Träume mehr zu haben scheinen, die nur noch eine geisterhafte
Existenz im Diesseits zu pflegen scheinen. Und doch scheint durch die
Oberfläche dieses Films eine leise Sehnsucht, ein flüsternder Traum….
Mit SCHLUCKAUF, seinem letzten Film, stellte Klick
seine Freude an bizarren Einrichtungen und Verkleidungen aus. Zwei
grundverschiedenen Frauen lernen einander in schwierigen Lebensjahren kennen
und schätzen. Dieser Film weist sicherlich einige Ähnlichkeiten der klassischen
Coming-of-Age-Geschichte auf. Und doch weicht er von den Klischees des
klassischen Coming-of-Age-Dramas ab. Er lässt seine Hauptfigur bereits in der
ersten Szene aus dem Nichts auftauchen, sie betritt den Film durch eine Tür.
Die Szene hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Alice im Wunderland. Sie befindet
sich nun in einer völlig anderen Welt, die vielleicht bloß ihrer dörflichen
Fantasie entspricht. Das immer wiederkehrende Bild des einsamen Schiffs, das
sich durch das Meer bewegt und von der sich rasch bewegenden Kamera in
verschiedenen Positionen gefilmt wird. Es ist das Individuum, das sich durch
das Meer des Lebens bewegt, mit dem Ziel einer einsamen Insel mit Palmen. Doch
gibt es diese Insel wirklich? Es ist sein vielleicht amüsantester Film, der
einem anders als andere Klick-Filme eine freundschaftliche Beziehung zeigt, die
mit allen Höhen und Tiefen ein schönes Ende findet. Vielleicht war es genau
das, was Klick sich für das vorläufige Ende seiner Filmkarriere gewünscht hat.
(Anmerkung: Die Filmgalerie 451 hat eine Box mit diesen vier Filmen, sowie einigen Kurzfilmen von Klick und der Dokumentation "Roland Klick-The Heart is a hungry hunter" rausgebracht.)
Dieser Text wurde von Luca Schepers(@ArafatsSohn) verfasst.
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