Dieses Blog durchsuchen

Mittwoch, 16. September 2015

„Unglücklich das Land, das Helden nötig hat!“



David Simon ist einer der größten und wichtigsten Chronisten unserer Zeit. Mit „The Wire“ setzte er sich ein Denkmal für alle Zeiten und auch in seiner neuen Serie „Show me a hero“ erzählt der Amerikaner eine zeitlose Geschichte über Rassismus, Angst und Menschlichkeit. Es geht um die wahre Geschichte der Stadt Yonkers, Ende der 80er-Jahre, als sich die weiße Mittelschicht der Stadt gegen einen Gerichtsentscheid auflehnten, der die Stadt zwang, 200 Sozialwohnungen überall in der Stadt zu bauen. Oscar Isaac als Nick Wasicsko wird in dieser Lage mehr oder weniger durch Opportunismus zum neuen Bürgermeister gewählt. Doch auch er kann die Durchführung des Richterspruchs nicht verhindern.

 
Im Rathaus von Yonkers kann kaum mehr vernünftige Politik gemacht werden, da jede Stadtratssitzung von einem brüllenden Mob niedergeschrien wird. Gerade diese Szenen sind besonders beeindruckend, da weder die Ratsmitglieder, noch den Mob, richtig verstehen kann. Es kann allerdings auch sonst nicht rational erfasst werden, warum sich die Bürger von Yonkers so sehr gegen das Bauen von Sozialwohnungen in ihren Vierteln wehren. Und hier zeigt David Simon auf, was diese Menschen eigentlich sind, nämlich Rassisten. Ihr einziges Interesse besteht im Aufrechterhalten einer Trennung zwischen der schwarzen Unterschicht und der weißen Mittelschicht gibt. Sie haben Angst, dass ihre Grundstücke an Wert verlieren und ihre Viertel verwahrlosen.

Diesen diffusen Ängsten tritt Simon mit einem enormen Humanismus entgegen. Er erzählt verschiedene Geschichten der Menschen, die letztendlich wirklich davon betroffen sind, dass Yonkers zur Desegregation gezwungen wird. Die Geschichte der Familien und Menschen in den „Projects“ leben sind sehr schön und mit viel Liebe erzählt. Sie zeigen, dass diese Menschen eigentlich wenig anders sind als die weißen Mittelschicht. Dies zeigt sich auch im Finale, als die Menschen dann endlich in die neuen Sozialwohnungen einziehen können und dies mit riesiger Freude auch tun. Auch diese Menschen wollen bloß ein ruhiges Leben für sich und ihre Kinder, das wird hier ganz deutlich gemacht.

Eine weitere fantastische Figur wird von Catherine Keener dargestellt. Sie spielt eine ältere Dame, Mary, die sich anfangs von dem Populismus, der Hetze einiger Politiker und dem großen Mob der „Save Yonkers Federation“ mitreißen lässt. Diese Figur macht die größte Wandlung innerhalb der Geschichte mit, ist sie zu Beginn noch sehr feindlich gegenüber den Menschen in den Sozialwohnungen eingestellt, wird sie am Ende eine ihrer stärksten Befürworterinnen. Hier wird eine Möglichkeit aufgezeigt, wie man dem Populismus von Rassisten und lauten Politikern, wie Henry Spallone (sehr spaßig gespielt von Alfred Molina), entgegentreten kann. Man muss versuchen, die Menschen zu finden, mit denen man noch vernünftig reden kann und diese direkt mit den Leuten konfrontieren, für die sie so viel Verachtung übrig haben. Dann kann es zu einer Änderung des Denkens kommen und es ist möglich, sich wieder gegenseitig als Mensch wahrzunehmen. Dazu fordert Simon hier ebenfalls auf. Eine der schönsten Szenen der Miniserie dürfte es sein, als ein kleiner schwarzer Junge auf die, im ersten Moment etwas befremdlich aussehende „Poodle Lady“ zuläuft, um endlich ihre Hunde streicheln zu können. Erst beäugt sie ihn misstrauisch. Doch dann beugt sie sich herab, um ihm die Namen der Hunde zu nennen. Eine kleine Szene, aber auch von diesen lebt die Geschichte.

Außerdem muss man das fantastische Spiel von Oscar Isaac loben. Dem aufstrebenden Darsteller gelingt es alle Facetten der vielschichtigen Figur zum Vorschein zu bringen. Dabei wirkt sein Schauspiel dennoch nie übertrieben, wie es in anderen Formaten, die sich mit Politik auseinandersetzen durchaus der Fall ist. Sein Stil ist angenehm zurückgenommen, sodass auch seine Frau, dargestellt von Carla Quevedo, mit einer guten Leistung glänzen kann

Die Geschichte wird in einem dokumentarisch angehauchten, nüchternen Stil erzählt, wenn gleich das allerdings nicht so extrem, wie in „The Wire“ ist. Vor allem zu Beginn der ersten Folge, gibt es einen fantastisch gefilmten Hubschrauberflug über Yonkers, bei der man die ganze Stadt in ihren Einzelteilen sehen kann. Eine große Stärke ist außerdem, dass „Show me a hero“ die schwere Aufgabe, Stadtratssitzungen und amerikanische Lokalpolitik spannend zu inszenieren, mit Bravour löst.

Das alles fügt sich in einem großartigen Finale zu einem großen Ganzen zusammen. Jenes endet mit einer fantastischen Endsequenz, die alle kleinen und großen Geschichten zu einem vorläufigen Ende führt. Und wenn Mary am Ende auf der Veranda einer der neu eingezogen Familien sitzt und sich angeregt mit einer von ihr früher angefeindeten Dame unterhält und hier wird es schon fast kitschig, bleibt doch so etwas wie Hoffnung zurück. Anders als in „The Wire“, scheint am Ende Yonkers nicht komplett verloren. Wenn Nick Wasicsko auch am Ende an seiner eigenen Persönlichkeit und seiner mangelnden Fähigkeit zur Selbstkritik zugrunde geht und verlassen am Grab seines Vaters steht, dann ist diese Person verloren. Aber, dass was er erreicht hat, und sei es nur dadurch, dass er zur rechten Zeit am rechten Ort war, ist wesentlich größer und überdauert seine Zeit.

Es gibt immer noch große Probleme mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Aber es gibt auch die Hoffnung, dass sich diese Probleme lösen lassen. Es gibt auch auf der anderen Seite Probleme. Die Wut der Schwarzen über die Behandlung durch die weiße Mittelschicht und die Politik wird in einer sehr intensiven Szene deutlich, in dem die neuen Bewohner einen Verhaltenskodex für ihre neuen Wohnungen vorgestellt bekommen und eine Dame zu Recht die Frage stellt:

„Are those people attending a course so they can learn how to accept us? Like we are taking this course to learn how to accept them?“

Robert Mayhawk, einer der Intergretationsbeauftragten, beweist hier allerdings ein weiteres Mal, wie sehr er es versteht, zwischen den Menschen zu vermitteln und seine rhetorischen Talente einzusetzen:

„Everything has a cost. Every choice means responsibility. And it will be different. Different isn’t always better. But it does mean „different“.“

Eine wunderbare Zusammenfassung, die vor überhöhten Erwartungen warnt. Der Bau dieser 200 Sozialbaueinheiten, wird auf keinen Fall alle Probleme der Gesellschaft lösen und es darf auch niemand erwarten, dass der Bau ein sofortiger Erfolg wird. Allerdings ist es ein erster Schritt und ein Plädoyer für mehr Menschlichkeit, den Abbau von Vorurteilen und eine besseres Miteinander innerhalb der Gesellschaft. Und genau das ist „Show me a Hero“.

Dieser Text wurde von Luca Schepers(@ArafatsSohn) verafsst.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen