David Simon ist einer der größten und
wichtigsten Chronisten unserer Zeit. Mit „The Wire“ setzte er sich ein Denkmal
für alle Zeiten und auch in seiner neuen Serie „Show me a hero“ erzählt der
Amerikaner eine zeitlose Geschichte über Rassismus, Angst und Menschlichkeit.
Es geht um die wahre Geschichte der Stadt Yonkers, Ende der 80er-Jahre, als
sich die weiße Mittelschicht der Stadt gegen einen Gerichtsentscheid
auflehnten, der die Stadt zwang, 200 Sozialwohnungen überall in der Stadt zu
bauen. Oscar Isaac als Nick Wasicsko wird in dieser Lage mehr oder weniger
durch Opportunismus zum neuen Bürgermeister gewählt. Doch auch er kann die Durchführung
des Richterspruchs nicht verhindern.
Im Rathaus von Yonkers kann kaum mehr
vernünftige Politik gemacht werden, da jede Stadtratssitzung von einem
brüllenden Mob niedergeschrien wird. Gerade diese Szenen sind besonders
beeindruckend, da weder die Ratsmitglieder, noch den Mob, richtig verstehen
kann. Es kann allerdings auch sonst nicht rational erfasst werden, warum sich
die Bürger von Yonkers so sehr gegen das Bauen von Sozialwohnungen in ihren
Vierteln wehren. Und hier zeigt David Simon auf, was diese Menschen eigentlich
sind, nämlich Rassisten. Ihr einziges Interesse besteht im Aufrechterhalten
einer Trennung zwischen der schwarzen Unterschicht und der weißen Mittelschicht
gibt. Sie haben Angst, dass ihre Grundstücke an Wert verlieren und ihre Viertel
verwahrlosen.
Diesen diffusen Ängsten tritt Simon mit
einem enormen Humanismus entgegen. Er erzählt verschiedene Geschichten der
Menschen, die letztendlich wirklich davon betroffen sind, dass Yonkers zur
Desegregation gezwungen wird. Die Geschichte der Familien und Menschen in den
„Projects“ leben sind sehr schön und mit viel Liebe erzählt. Sie zeigen, dass
diese Menschen eigentlich wenig anders sind als die weißen Mittelschicht. Dies
zeigt sich auch im Finale, als die Menschen dann endlich in die neuen
Sozialwohnungen einziehen können und dies mit riesiger Freude auch tun. Auch
diese Menschen wollen bloß ein ruhiges Leben für sich und ihre Kinder, das wird
hier ganz deutlich gemacht.
Eine weitere fantastische Figur wird von
Catherine Keener dargestellt. Sie spielt eine ältere Dame, Mary, die sich
anfangs von dem Populismus, der Hetze einiger Politiker und dem großen Mob der
„Save Yonkers Federation“ mitreißen lässt. Diese Figur macht die größte
Wandlung innerhalb der Geschichte mit, ist sie zu Beginn noch sehr feindlich
gegenüber den Menschen in den Sozialwohnungen eingestellt, wird sie am Ende
eine ihrer stärksten Befürworterinnen. Hier wird eine Möglichkeit aufgezeigt,
wie man dem Populismus von Rassisten und lauten Politikern, wie Henry Spallone (sehr
spaßig gespielt von Alfred Molina), entgegentreten kann. Man muss versuchen,
die Menschen zu finden, mit denen man noch vernünftig reden kann und diese
direkt mit den Leuten konfrontieren, für die sie so viel Verachtung übrig
haben. Dann kann es zu einer Änderung des Denkens kommen und es ist möglich,
sich wieder gegenseitig als Mensch wahrzunehmen. Dazu fordert Simon hier
ebenfalls auf. Eine der schönsten Szenen der Miniserie dürfte es sein, als ein
kleiner schwarzer Junge auf die, im ersten Moment etwas befremdlich aussehende
„Poodle Lady“ zuläuft, um endlich ihre Hunde streicheln zu können. Erst beäugt
sie ihn misstrauisch. Doch dann beugt sie sich herab, um ihm die Namen der
Hunde zu nennen. Eine kleine Szene, aber auch von diesen lebt die Geschichte.
Außerdem muss man das fantastische Spiel
von Oscar Isaac loben. Dem aufstrebenden Darsteller gelingt es alle Facetten
der vielschichtigen Figur zum Vorschein zu bringen. Dabei wirkt sein Schauspiel
dennoch nie übertrieben, wie es in anderen Formaten, die sich mit Politik
auseinandersetzen durchaus der Fall ist. Sein Stil ist angenehm zurückgenommen,
sodass auch seine Frau, dargestellt von Carla Quevedo, mit einer guten Leistung
glänzen kann
Die Geschichte wird in einem
dokumentarisch angehauchten, nüchternen Stil erzählt, wenn gleich das
allerdings nicht so extrem, wie in „The Wire“ ist. Vor allem zu Beginn der
ersten Folge, gibt es einen fantastisch gefilmten Hubschrauberflug über
Yonkers, bei der man die ganze Stadt in ihren Einzelteilen sehen kann. Eine
große Stärke ist außerdem, dass „Show me a hero“ die schwere Aufgabe,
Stadtratssitzungen und amerikanische Lokalpolitik spannend zu inszenieren, mit
Bravour löst.
Das alles fügt sich in einem großartigen
Finale zu einem großen Ganzen zusammen. Jenes endet mit einer fantastischen
Endsequenz, die alle kleinen und großen Geschichten zu einem vorläufigen Ende
führt. Und wenn Mary am Ende auf der Veranda einer der neu eingezogen Familien
sitzt und sich angeregt mit einer von ihr früher angefeindeten Dame unterhält
und hier wird es schon fast kitschig, bleibt doch so etwas wie Hoffnung zurück.
Anders als in „The Wire“, scheint am Ende Yonkers nicht komplett verloren. Wenn
Nick Wasicsko auch am Ende an seiner eigenen Persönlichkeit und seiner
mangelnden Fähigkeit zur Selbstkritik zugrunde geht und verlassen am Grab
seines Vaters steht, dann ist diese Person verloren. Aber, dass was er erreicht
hat, und sei es nur dadurch, dass er zur rechten Zeit am rechten Ort war, ist
wesentlich größer und überdauert seine Zeit.
Es gibt immer noch große Probleme mit
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Aber es gibt auch die Hoffnung, dass sich
diese Probleme lösen lassen. Es gibt auch auf der anderen Seite Probleme. Die
Wut der Schwarzen über die Behandlung durch die weiße Mittelschicht und die
Politik wird in einer sehr intensiven Szene deutlich, in dem die neuen Bewohner
einen Verhaltenskodex für ihre neuen Wohnungen vorgestellt bekommen und eine
Dame zu Recht die Frage stellt:
„Are
those people attending a course so they can learn how to accept us? Like we are
taking this course to learn how to accept them?“
Robert Mayhawk, einer der
Intergretationsbeauftragten, beweist hier allerdings ein weiteres Mal, wie sehr
er es versteht, zwischen den Menschen zu vermitteln und seine rhetorischen
Talente einzusetzen:
„Everything
has a cost. Every choice means responsibility. And it will be different.
Different isn’t always better. But it does mean „different“.“
Eine wunderbare Zusammenfassung, die vor
überhöhten Erwartungen warnt. Der Bau dieser 200 Sozialbaueinheiten, wird auf
keinen Fall alle Probleme der Gesellschaft lösen und es darf auch niemand
erwarten, dass der Bau ein sofortiger Erfolg wird. Allerdings ist es ein erster
Schritt und ein Plädoyer für mehr Menschlichkeit, den Abbau von Vorurteilen und
eine besseres Miteinander innerhalb der Gesellschaft. Und genau das ist „Show
me a Hero“.
Dieser Text wurde von Luca Schepers(@ArafatsSohn) verafsst.
Dieser Text wurde von Luca Schepers(@ArafatsSohn) verafsst.
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