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Dienstag, 31. Dezember 2024

Die besten Filme 2024 – Wo dieser Weg zu Ende ist

 

Ein Jahr: Noch mehr gelesen als 2023, nicht zuletzt dank der wunderbaren Zeitschrift Volltext, die mit merkwürdigen Alexander-Kluge-Interviews und Beweglichkeit jedes Quartal versüßt. Zwei Tränen des Jahres: Kasia Niewiadoma hält vier Sekunden Vorsprung auf eine völlig aufgelöste Demi Vollering auf dem Weg nach Alpe d´Huez, Jonas Vingegaard kann in den Armen von Matteo Jorgenson und seiner Ehefrau nicht mehr. Remco Evenepoel und der Eiffelturm. Faulkner, Flaubert, Borges, Schachinger. Fast alle Jacques-Tourneur-Filme gesehen und parallel Chris Fujiwaras Meilenstein The Cinema of Nightfall gelesen. Ole Werner hält den Laden am Laufen. Alles beim Alten. Oder auch nicht: Das erste Mal ein schlechter Reacher.


Gutes außerhalb der Liste:

The Rapture – Iris Kaltenbäck

Crisis Negotiators – Herman Yau

Hit Man – Richard Linklater

Geliebte Köchin – Tran Anh Hung

Red Rooms – Pascal Plante

My New Friends – Andre Techine

You Burn Me – Matias Pineiro

The Box Man – Gakuryu Ishii

The Empire – Bruno Dumont

Favoriten – Ruth Beckermann



Die Top Ten:


  1. Der Junge und der Reiher – Hayao Miyazaki

Zu Miyazaki ist alles gesagt, deshalb vielleicht nur so viel: Mir scheint die Thomas-Mann-Verbindung doch deutlich über Wie der Wind sich hebt hinauszugehen. So etwas wie die zweite Hälfte des Films habe ich noch nie gesehen.


  1. Der Spatz im Kamin – Ramon Zürcher

Vielleicht sind die Zürcher-Brüder in einer Sackgasse angekommen, die Apokalypse hat mich dieses Mal nicht so sehr getroffen wie einst bei Das Mädchen und die Spinne, ihre Beobachtungsgabe und vor allem ihr Sprachgefühl bleiben bemerkenswert, ist Der Spatz im Kamin doch im Prinzip der einzige Film des Jahres, der wirklich in deutsch(sprachig)en Innenräumen spielt. Die Szene mit der Katze und der Waschmaschine übertrifft spielend das Gesamtwerk von Michael Haneke.


  1. Let´s Go Karaoke – Nobuhiro Yamashita

Der Filmemacher des Sommers, zweimal in dieser Liste. Die Schlussszene ist mindestens mal die viertbeste des Jahres (hinter Platz 7, 2 + 1). In einem erneut schwachen Jahr für den amerikanischen Mainstream-Film, was auch die teilweise geradezu absurden Lorbeeren für schmerzhaft durchschnittliche Filmemacher wie Luca Guadagnino oder M. Night Shyamalan nicht übertünchen können, sind Yamashitas Filme wie die sprichwörtliche frische Brise an einem lauen Sommertag (von denen es in Kiel in diesem Jahr mehr gab, als die allgemeinen Ansichten über Norddeutschland es vermuten lassen würden).


  1. All We Imagine As Light – Payal Kapadia

Trotz der Ozu-Retrospektive Anfang des Jahres und meiner langjährigen innigen Beziehung zu Claire Denis´ 35 Shots of Rum habe ich immer noch keinen Reiskocher. Genau so souverän wie ich die Entscheidung für ein Modell umschifft Kapadia in ihrem Debütfilm die üblichen Fallen des internationalen Arthouse-Films, mit wunderbaren Performances, einer angenehm schwitzigen Atmosphäre und einem Gespür dafür, wie es sich anfühlt, in einer Stadt zu sein.


  1. One Second Ahead, One Second Behind – Nobuhiro Yamashita

Die schönste Liebesgeschichte des Jahres und vielleicht der einzige Film, der das Erbe von The Midnight After antreten kann. Ich freue mich schon auf den nächsten Sommer mit Yamashitas Filmen.


  1. A Traveler´s Needs – Hong Sang-Soo

Da ja bekanntlich nichts langweiliger ist als zu erfahren unter welchen Umständen jemand einen Film gesehen hat, erspare ich mir die Mutmaßungen darüber, ob der täuschende Anstrich der Schludrigkeit des neuen Hong-Films wohl im Festivalkontext noch wohltuender, weil geradezu befreiend von teuer produzierten und weitgehend ahnungslosen Qualitätsfilmen wirkt.


  1. Suspended Time – Olivier Assayas

Normalerweise mache ich um die Selbstbetrachtungen von Olivier Assayas einen recht großen Bogen, weder Die wilde Zeit noch seine karrierestartenden Jugendfilmen liegen mir wirklich am Herzen, doch die grandiose Irma Vep Serie hat mich meine Position zumindest für die Zukunft überdenken lassen. Suspended Time ist ausschweifend, unfokussiert und unstet, doch Assayas findet im Laufe des Films die Wahrheit über das erwachsene Leben mit Geschwistern. Ach, und eh: Begrabt mich in dem Movistar-Weltmeistertrikot von Alejandro Valverde!


  1. Verbrannte Erde – Thomas Arslan

Misel Maticevic ist älter geworden und die Stadt hat sich verändert. Noch eher als der oft bemühte Michael Mann muss ich an Johnnie To denken, dessen Meisterschaft sich auch und vor allem in seiner Schauspielerführung und in der Darstellung der Beziehung zwischen Städten und ihren Bewohnern zeigt. Der einzige Film des Jahres, der in deutschen Außenräumen spielt.


  1. Im letzten Sommer – Catherine Breillat

Wahrlich einer der Filme des Jahres, Lea Drucker ist unglaublich als die böseste und gemeinste Figur des Kinojahres und Breillats Unterlaufen von dekadenlang eingeübten Konventionen des französischen Autorenfilms hat nichts von seiner Radikalität verloren. Ganz oben auf der "Wer ist denn dieses schreckliche Kind?"-Skala. Und die im Schlussbild aufgeworfene und extrem beunruhigende Frage, was jetzt eigentlich bleibt.


  1. The Beast – Bertrand Bonello

Die Jahre geh´n vorüber

und keiner hält sie an,

doch eines kehrt immer wieder,

worauf man sich verlassen kann.

(Rolf Zuchowski – Same procedure as last year)


Und zum Abschluss zehn neue Lieblingsfilme 2024:

  1. Games of Love and Chance – Abdellatif Kechiche

  2. Tess – Roman Polanski

  3. Petite Solange – Axelle Roepert

  4. Sklavin des Herzens – Alfred Hitchcock

  5. Linda Linda Linda – Nobuhiro Yamashita

  6. Swing Girls – Shinobu Yaguchi

  7. Die Liebe einer Blondine – Milos Forman

  8. The Flame and the Arrow – Jacques Tourneur

  9. Labyrinth of Dreams – Gakuryu Ishii

  10. Die Vergessenen – Luis Bunuel

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