Die Filmreihe „Deutsche Beziehungskomödien 1989-2001“ (Filmkollektiv Frankfurt, 25.-27. August 2023) sah sich einem eigentümlichen Gegenstand gegenüber. So scheinen die deutschen Komödien dieser Zeit, wenn auch vom Publikum z.T. millionenfach besucht, in der kollektiven Erinnerung eher im Unterbewusstsein versteckt zu sein. Zwar als Genrebezeichnung und Anekdote immer wieder hochgezogen und in ihren Bildwelten nie ganz aus dem deutschen Kino verschwunden, scheint die Geschichte des sehr tollen ABGESCHMINKT (Katja von Garnier, 1993), der, obwohl seinerzeit erfolgreich, vollständig in der Versenkung verschwunden ist, der Prototyp dieser Filme zu sein. Trotzdem kommen selbst jemandem, der genau in der Mitte dieser Periode geboren wurde, die Bildwelten eigentümlich vertraut vor. Das Nachleben dieser Filme, das diskutiert die Filmreihe als eine seiner vielen spannenden Konstellationen, könnte nicht in ihrer Erinnerung liegen, sondern in dem, was sie an Bilderreservoir für die deutsche Komödie geliefert haben und in der gerade in den ersten Filmen sehr offenen und spaßigen Diskussion darum, wie genau eigentlich eine deutsche Komödie in den Nachwendejahren aussehen kann (was sich auch in den 18 Trailern zeigt, die das Filmprogramm flankieren).
Garniers Film lebt von einer riesigen Spielfreude seiner
Darsteller*innen, einer tollen Musik und seiner wahnsinnigen Energie. Dabei,
und das sollte sich an diesem Wochenende noch ein paar Mal wiederholen, ist die
Suche nach dem „richtigen Mann“ nur ein Nebenschauplatz, mal sehr lustig, mal
sehr bedrückend, aber eher am Rande. Vielmehr interessiert sich der Film, und
das ist das vielleicht wirklich neue im Mainstream-Kino gewesen, für Frauenfreundschaften.
Man kann an der Art und Weise, wie Katja
Riemann & Nina Kronjäger miteinander umgehen und sprechen, förmlich
nachspüren, dass hier etwas neues versucht wird. Genre bedeutet immer schon dessen
Aushandlung, jedes Bild diskutiert schon wieder etwas neues. ABGESCHMINKT lässt
erst einmal alles hinter sich und Katja Riemann darf in famoser Weise das Bild
übernehmen und bis zum Schluss nicht mehr innehalten. Auch Dominik Grafs TIGER, LÖWE, PANTHER (1989)
ist von dieser Energie des Neuen und der Suche nach etwas ganz anderem
durchzogen, bleibt aber eher als Konzept interessant, denn als tatsächliches
Ganzes. Bürgerliche Mittelschicht, davon gibt es viel zu sehen, die nicht weiß
wohin mit sich. Auch eine Erkenntnis der Reihe: Die 90er-Jahre, die nach der
Wende und den vorherigen Jahrzehnten der Bonner Republik und des Kalte Kriegs
eine, zumindest für die Mehrheitsgesellschaft, ruhige Periode mit sich brachte,
führte bei einer bestimmten Schicht anscheinend zu Ziellosigkeit und
Überdrehtheit im Angesicht der eigenen Sicherheit. So spielen diese Filme
zumeist in sozial und ökonomisch abgesicherten Gesellschaftsschichten, die aber
nicht reich genug sind, um ein gänzlich sorgenloses Leben führen. Die deutsche
Mittelschicht. Aber eigentlich sind genau diese Filme im Kontext toll
anzusehen, weil sie nicht die Highlights aus einer Filmgeschichte heraussuchen
und auch nicht den „Anti-Kanon“ beschwören, sondern Bilder präsentieren, die
noch nicht fertig sind und die in ihrer Unfertigkeit etwas darüber erzählen,
was versucht wurde zu erzählen. (Auch nicht uninteressant in der Hinsicht, weil
von einer anderen Seite her gedacht: JUST MARRIED (Rudolf Thome, 1998) ).
In der Mitte der 90er dann WORKAHOLIC (Sharon von
Wietersheim, 1996). Die vorherigen Figuren aus der bürgerlichen Mittelschicht
werden weggefegt zugunsten der Arbeits-, Red-Bull- und Telekomsüchtigen.
Telefone aus Bananen und High Heels, alle Figuren am ständigen Anschlag, auf
dem Weg nach oben. Christiane Paul, die in einer Badewanne voller teurem
Rotwein sitzt, die eine Fernsehshow zur Partner*innenfindung moderiert, am Ende
von der Polizei eskortiert zum Flughafen fährt. Toll ist die Craziness, das
ständige Klingeln der Telefone, die Seltsamkeit der deutschen 90er-Jahre, in
denen alles überdreht und bunt wirkt, ein Börsengang bevorsteht, aber es
dennoch so wirkt, als könnten alle doch nicht so ganz aus ihrer Haut.
Eine schöne Tagesstruktur. Mit Sönke Wortmanns ALLEIN
UNTER FRAUEN (1991) am Mittag ein Prototyp der formelhaften Komödie, in bester
Manier durchgeführt. Interessant auch, dass es, anders als heute, kaum feministischen
Konsens gibt, eher Versatzstücke, die immer mal wieder andeuten, in welchem Kampf
sich die drei Frauen, die einen absoluten Macho in ihre WG einziehen lassen, um
ihn umpolen zu können, sich eigentlich befinden. Einige der Filme bewegen sich
in einem solchen Spannungsfeld, lassen dies aber links liegen oder ziehen sich,
so wie Wortmanns Film, ins Private zurück. Unpolitischer sind diese Filme deshalb
nicht, manchen tut es sogar gut, dass sie sich nicht darum bemühen, sondern aus
den Situationen und den Orten heraus ihr Soziales entwickeln. Die 68er und die
Frauenbewegung haben selbstverständliche ihre Spuren hinterlassen. Obwohl sie
hier quasi überhaupt nicht auftauchen, ist das, was dort einem Millionenpublikum
erzählt wird, eine Folge dieser Bewegungen. (Ganz abgesehen davon, dass die
meisten der Filme an manchen Stellen rassistische Töne aufweisen, die sich
zumindest als Ausgangspunkt des Nachdenkens über das Deutschland der 90er-Jahre
anbieten und an manchen Stellen auch auf schräge Art thematisiert werden).
Das Ende des Samstags. Doris Dörries KEINER LIEBT MICH
(1995) als unbestreitbares Highlight. In gewisser Weise die dunkle Gegenseite
der Beziehungskomödien, inmitten ihrer Hochzeit. Maria Schrader spielt eine
Frau nach dem Ende einer Beziehungskomödie, aber eine ihrer Verliererinnen, die
nicht mit 30 in einer Paarbeziehung ist, sondern ein unglückliches Leben verbringt
und sich privat für den eigenen Tod interessiert, inkl. selbstgebautem Sarg, in
dem sie natürlich auch einmal schläft. Auch hier steht eigentlich eine
Freundschaft im Mittelpunkt, die sich, trotz etwas esoterischer Wendung zum
Schluss, als tröstende Gemeinschaft erweist. Die romantische Komödie, da bilden
die deutschen keine Ausnahme, sind in ihrem Kern Filme über Menschen, die Angst
vor dem Alleinsein haben und sich die verrücktesten Sachen ausdenken, um das
nicht erleben zu müssen (eine warme Erinnerung: Sandra Bullock in WHILE YOU WERE
SLEEPING). Während aber in den meisten anderen Komödien der Reihe daraus
Energie und Enthusiasmus entsteht, ist Dörries Figur eine Getroffene, die
leidet und sogar von ihrer besten Freundin hintergangen wird. Hier erweisen
sich die Gemeinschaften, welche viele der gezeigten Filme durchziehen, als Tröster.
Sogar zum Schluss, als alle Mieter des (gentrifizierten?) Hochhauses, in dem
sich der Film zu großen Teilen abspielt, gekündigt werden, gönnt der Film ihnen
ein letztes gemeinsames Kaffeetrinken. Ein Ende, das die Erlösung der
Beziehungskomödie nicht in der Paarbeziehung, sondern im Beisammensein, dem
neuen Kennenlernen findet. Am Ende des Abspanns singt das ganze Filmteam den
Titelsong „Je ne regrette rien“. Ein kleiner Moment des Gemeinsamen zwischen Bildrealität
und Bildproduktion. Die Seiten des Genres schieben sich wieder zusammen, sie ist
nicht an die romantische Paarbeziehung gebunden, sondern an eine Form des
Miteinanders und des Umgangs miteinander.
Als Abschluss dann THEMA NR. 1 (Maria Bachmann, 2001), in
dem die Beziehungskomödie schon diskursiv geworden ist und auseinandergenommen
werden kann, formal und inhaltlich. Etwas merkwürdiges macht sich breit. Es
fühlt sich fast so an, als hätte man in den zehn Filmen einer kleinen Periode
der Filmgeschichte bei der Geburt, dem Austoben, dem Durchdrehen, dem Trauern
und schließlich dem Tod im Diskurs zuschauen können. Keine einmalige oder
legendäre Periode im deutschen Kino, sondern eine kurze Zeit, in der etwas
auftauchte, Erfolg hatte und dann in dieser Form wieder verschwindet. Die
Bilder aber bleiben, nicht nur als alte Kopien, sondern als Bildreservoir, das
immer wieder bedient wird. Es bleibt spannend.
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