Zwei Serien, die durch das Jahr spuken: Oliver Assayas’ Irma Vep und die herausragende BBC-Dokumentation The World At War
Filmbücher: Armond Whites Make Spielberg Great Again und Andre Bazins Jean Renoir und seine Filme
Erkältungsfernsehen: Wednesday und How I Met Your Father
Pop: House of the Dragon und The White Lotus S02
Schlimmer geht’s nicht: Die Daniels und ihr grauenerregender Everything Everywhere All At Once und Matt Bettinelli-Taylor + Tyler Giletts Scream
Über Wert gehandelt: Charlotte Wells’ Aftersun und Juho Kuosmanens Abteil Nr. 6
Hat was, aber nicht alles: James Grays Armageddon Time und Hong Sang-Soos The Novelist's Film
Starke Momente: Ryusuke Hamaguchis Drive My Car und David Gordon Greens Halloween Ends
10. Marx Can Wait – Marco Bellocchio
Bellocchios Filme drehen sich oft um die Suche nach einer wie auch immer gearteten Ursünde und Marx Can Wait übernimmt und überträgt diese Suche nun auf Bellocchios eigene Familie. Sein Bruder hat sich bereits zu Beginn der großen Karriere von Marco umgebracht, Filme wie Mit der Faust in der Tasche oder The Eyes, The Mouth zeugen vom schwierigen Verhältnis der beiden Brüder. Ein amüsiert-melancholischer Blick zurück, nicht nur auf das eigene Schaffen, sondern auch gemeinsam mit der eigenen Familie.
9. Parallele Mütter – Pedro Almódovar
Dank einer beruflichen Veränderungen in diesem Jahr und der damit einhergehenden Aufgabe der Betreuung der spanischen Schulkinowoche habe ich den Beginn von Parallele Mütter in diesem Jahr etwa ein Dutzend Mal gesehen, doch es ist das Ende dieses bemerkenswerten Films, das mich bis heute immer wieder verfolgt. Rekonstruktion als Genesung. Allein machen sie dich ein.
8. Memoria – Apitchatpong Weerasethakul
Zuhören, um Luft zu holen.
7. Mein Sommer mit Anais – Charline Bourgeois-Tacquet
Eine meiner allerliebsten Kinotraditionen ist der französische Sommerfilm und Der Sommer mit Anais hält, was der erste Teil des Nachnamens der Regisseurin verspricht. Wo Joachim Triers hübscher, aber letztlich unerheblicher Der schlimmste Mensch der Welt sich in entscheidenden Momenten doch für allgemeine gesellschaftliche Betrachtungen entscheidet, folgt Der Sommer mit Anais lieber ganz im Sinne seiner Hauptfigur den eigenen Interessen – seien es Bette-Davis-Eyes, Größen der Literatur und das Lächeln von Valeria Bruni Tedeschi.
6. Das Glücksrad – Ryusuke Hamaguchi
Ich tue mich mit Hamaguchis Filmen zumindest in Teilen meistens recht schwer, besonders mit seinen Enden (sowohl Drive My Car als auch Happy Hour und Asako I & II finden in meinen Augen nicht die richtige Tonart um zu enden). Das Glücksrad hat zwar das schlimmste deutsche Filmposter des Jahres diesseits von Black Adam spendiert bekommen, findet in seinen unterschiedlichen Geschichten jedoch immer zu einer angenehmen Ernsthaftigkeit, die Hamaguchis anderen Filmen abgeht. So wird auch eine, bei aller Liebe recht lächerliche, Setzung wie die Entdigitalisierung der filmischen Welt nicht zur Schwäche, sondern im Gegenteil zu einer Auseinandersetzung darüber, ob digitale Medien, wie allenthalber behauptet, wirklich so eine große Rolle für unsere Erfahrungswelten spielen. Man ist geneigt Hamaguchi in seiner abschlägigen Beantwortung dieser Frage zuzustimmen.
5. Alle reden übers Wetter – Annika Pinske
Stellvertretend auch für Sabrina Sarabis wunderbaren Saskia-Rosendahl-Showcase Niemand ist bei den Kälbern, eint doch beide Filme, dass ihnen ein seltenes Kunststück gelingt: Sie behaupten nicht nur, in Deutschland zu spielen, sondern sie spielen tatsächlich in Deutschland. Seit Ulrich Köhlers Das freiwillige Jahr habe ich keinen Film mehr gesehen, der das Gefühl und besonders die Alltagsgegenstände dieses Landes so genau zu fassen kriegen. Und auch sonst ist Alle reden übers Wetter bestimmt der lustigste Film des Jahres – besondere Erwähnung für Ronald Zehrfelds Auftritt mit dem Rasenmäher.
4. La Cour – Hafsia Herzi
Herausragend gespielter und mit Herzis fast schon patentierter Leichtigkeit inszenierter Film über den (Schul-) Klassenkampf, der nicht in die Falle tappt, möglichst “realistisches” Verhalten von Kindern darzustellen – nach dem letztjährigen Herr Bachmann und seine Klasse ohnehin kein besonders neuartiges Unterfangen mehr – sondern lieber darüber nachdenkt, was genau eigentlich mit Augenhöhe gemeint sein könnte. Von arte standesgemäß mit “Mädchen gegen Jungs” brutal dämlich betitelt und erfolgreich erst im eigenen Programm und dann in der Mediathek versteckt.
3. Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen? - Alexander Koberidze
Zu schade, dass die Krönung dieser größten aller Fußballkarrieren dann doch unter unrühmlichen Umständen mitten im Dezember in Katar stattfinden musste und Alexander Koberidzes Großzügigkeit, Lionel Messi am Ende doch noch den Weltmeistertitel gewinnen zu lassen, nicht eine der wunderbaren Idiosynkrasien dieses schwelgerischen Films bleiben wird. Aber auch: Ein Land und seine Geschichte, Zerbrechlichkeit und Liebe.
2. Drei Etagen – Nanni Moretti
Nanni Moretti ist an den Rand seiner eigenen Filme gewandert, er hat quasi den umgekehrten Weg von Marco Bellocchio eingeschlagen. Drei Etagen ist ein spätes Meisterstück, dessen dramaturgischen (und dramatischen) Wendungen, die sich größtenteils weit jenseits aller öden Plausibilitätskriterien befinden, werden durchs Moretti unerwartet kühle Regie geerdet. Herausgekommen ist nicht nur ein Schaulaufen der wichtigsten aktuellen italienischen Filmschauspieler und Filmschauspielerinnen, sondern auch ein Querschnitt – durch eine Idee von Gesellschaft, eine Idee von Gemeinschaft und nicht zuletzt auch durch das Werk eines Filmemachers, der im Laufe seiner Karriere seinen Blick immer geweitet und dabei nie entschärft hat.
1. Crimes of the Future – David Cronenberg
We have years of struggle ahead, mostly within ourselves (Made in USA, Jean-Luc Godard 1966, hier zitiert nach Twitterbiographie von Armond White).
11 Freunde müsst ihr sein:
Die große Illusion – Jean Renoir
Der Würgeengel – Luis Bunuel
Das Rettungsboot – Alfred Hitchcock
Ordet – Carl Theodor Dreyer
Die Strände von Agnes – Agnes Varda
Rose la Rose, Public Girl – Paul Vecchiali
Les Bonnes Femmes – Claude Chabrol
Esther Kahn – Arnaud Desplechin
Das Mädchen und Die Spinne – Zürcher Bros
Model Shop – Jacques Demy
Werder Bremens Zweitligasaison – Markus Anfang, Ole Werner, Niclas Füllkrug, Marvin Ducksch uvm.
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