ICH WAR ZUHAUSE, ABER…
Schanelec beweist ein weiteres
Mal, dass formale Geschlossenheit und offene Erzählweisen sich nicht widersprechen,
sondern sich in ihrem Kino sogar gegenseitig bedingen. Maren Eggert sinkt zu einer
herzzerreißenden Version von „Let’s Dance“ am Grab ihres Mannes nieder. Es sind
ungewöhnlich viele nach außen getragene Emotionen in diesem Film zu sehen, die sich
auf den zweiten Blick aber wieder in das ansonsten wahrhaftige Spiel der
Darsteller einfügen. Nur Maren Eggert darf sich aufregen, darf ihre Kinder
anschreien, darf in ihre Wohnung rennen. Am Ende ist es dann wieder die Stille
der Naturgeräusche, die nach dem Scheitern der Kommunikation zwischen den
Figuren die Verbindungen schafft. Die Kinder spielen Hamlet und das ist in
jeder Hinsicht das größte Rätsel des Films: „Alles Spiel ist immer Lüge.“
LEID UND HERRLICHKEIT
Zu wenig Filmemachern habe ich
so ein seltsames Verhältnis wie zu Pedro Almodóvar. Ich verstehe, was er mir
sagen will und auch, warum Leute seine Filme mögen, aber mir selbst bleibt der
Zugang zu seiner Poesie verstellt (abgesehen von dem sehr tollen ALLES ÜBER
MEINE MUTTER). Auch in seinem neuen Film gibt es wunderbar inszenierte Szenen, allen
voran das Wiedersehen zwischen Salvador und Federico, aber die ganze
Konstruktion des Films und seine Umsetzung empfand ich als belanglos und am
Ende dann doch auch eindimensional. Aber ich glaube, dass sich irgendwo in
diesen Film noch etwas vor mir versteckt. Ich kann also nicht sagen, dass er
mir wirklich gefallen hat. Aber die Suche nach einem punctum im Werk eines Filmemachers,
zu dessen Filmen einem der Zugang fehlt, ist auf bizarre Art und Weise sehr reizvoll,
weshalb ich es beim nächsten Almodóvar-Film wieder versuchen werde.
ONCE UPON A TIME… IN HOLLYWOOD
Ein Film, der in seiner Erzählweise
mehr mit dem fast komplett leerer Kinosaal in der Nachmittagsvorstellung in
einer Thüringer Kleinstadt zu tun hat, als der monatelangen Vorberichterstattung
samt Premiere in Cannes. Tarantino ist einer der wenigen Filmemacher, die die Thematiken
ihrer Filme aus ihnen selbst heraus verstehen wollen. Daher ist der Film nicht
nur aus ästhetischer Perspektive dann am besten, wenn er sich munter dem
Fabulieren und Erfinden von Filmen, Serien und Filmplakaten hingibt und ganz in
die Ästhetik dieser Zeit einzutauchen, ohne ihr gänzlich zu verfallen. Wer hier
reine Nostalgie sieht, verkennt, dass Tarantino nicht um des Zitieren willen
zitiert, sondern sich daran macht, diese Zeit und vor allem diesen Ort
verstehen zu können. Er lässt die gefährlichen Stellen seines Filmes geschickt
ins Leere laufen und erzählt noch fragmentarischer, wie sonst vielleicht nur in PULP
FICTION. Man muss sich seinen eigenen Film im Kino ansehen, muss die Bewegungen
noch einmal mitmachen, um sich gewahr zu werden, dass das Bewegtbild eben
wirklich ein bewegtes ist. Tarantino gelingt es, seinen Film so offen zu
gestalten, dass er ihm sogar zeitweise selbst zu entgleiten scheint. Aber auch
das scheint ihn nicht wirklich zu stören, denn nur durch diese Offenheit kann der Film seinem Sujet wirklich nahekommen.
Dieser Text wurde von Luca Schepers (@ArafatsSohn) verfasst.
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