Die Filme von Abbas Kiarostami
sind in vielerlei Hinsicht sehr besonders. Sie sind geprägt von einer
reduzierten und poetischen Ästhetik. „Like Someone In Love“ stellt hierbei
keine Ausnahme dar, kann aber trotzdem als ein besonderer Moment in der
Filmographie Kiarostamis betrachtet werden. Bereits die erste Szene in einem
Café ist sehr interessant.
Wir sehen die sprechende Figur nicht, wir hören sie nur. Sie scheint mit ihrem Partner zu streiten, nur langsam entwirrt sich das Dickicht der Beziehung der beiden. In der nächsten Einstellung ist dann die Protagonistin Akiko zu sehen. Sie wird den ganzen Film über ein Rätsel bleiben, man könnte davon sprechen, dass sie nur in dieser Anfangssequenz etwas von sich zeigt, obwohl sie gar nicht im Bild zu sehen ist.
Wir sehen die sprechende Figur nicht, wir hören sie nur. Sie scheint mit ihrem Partner zu streiten, nur langsam entwirrt sich das Dickicht der Beziehung der beiden. In der nächsten Einstellung ist dann die Protagonistin Akiko zu sehen. Sie wird den ganzen Film über ein Rätsel bleiben, man könnte davon sprechen, dass sie nur in dieser Anfangssequenz etwas von sich zeigt, obwohl sie gar nicht im Bild zu sehen ist.
Kiarostami zeigt in dieser ersten,
wunderschön komponierten Szene, wovon er erzählen möchte. Die Abstraktionen,
die sich durch den Film ziehen, sollen vor allem darauf hinweisen, dass so
etwas wie Liebe niemals konkretisiert werden kann, weil es sich um ein Gefühl
handelt, welches in der Konkretion zu einer sozialen Beziehung wird. Und diese
Beziehungen sind hier immer kompliziert, auch wenn dies in der beobachtenden
und sehr ruhigen Ästhetik dieses Films auf den ersten Blick nicht so scheint. Die
Geduld, die Gesichter der Figuren als Bildfokus zu betrachten, sie einander
anschauen zu lassen, ist beeindruckend und lässt dem Zuschauer in vielen Szenen
Raum, abzuschweifen und sich in der vermeintlich klar strukturierten Erzählung
des Films zurechtzufinden. Denn einen Zugang zu diesen Figuren und auch zur
Stadt Tokio zu finden, das fällt weder uns, noch den Figuren selbst leicht.
Mir scheint so, als würde
Kiraostami hier einen Film über Tokio machen, wie ihn nur jemand machen kann,
der dort nicht lebt, sondern nur zu Besuch ist. Daher geht es nicht um genaue
Bilder der Stadt, sondern Tokio lebt in diesem Film sowohl visuell, als auch gedanklich
immer als flächiger Hintergrund. Die Stadt ist hier kein bestimmter Ort,
sondern eine Projektionsfläche des Fühlens und der Existenz der Figuren. Es
ist, und da ist der Film sich vollkommen im Klaren drüber, nicht die Großstadt
und ihr hektisches Leben, die zur Traurigkeit der Menschen führt, sondern es ist
etwas Unbestimmtes, das man vielleicht mit Liebe bezeichnen könnte, wobei man
der Sache damit sicherlich nicht gerecht wird. Alle Personen, aber vor allem Akiko
und Takashi, sind auf der Suche nach diesem unbestimmten Zentrum des Films. Anders
als in „Copie Conform“ stellt Kiarostami diese Idee des Films jedoch nicht
ständig und vor allem visuell redundant ins Zentrum, sondern sie funktioniert
mehr als ordnende Kraft dieses sowieso sehr strukturierten Films.
Als visuelles Organisationsprinzip
fungiert das Auto, welches in einem Großteil der Szenen eine wichtige Rolle
spielt. Hier finden die Figuren eine Zuflucht, sie können der permanenten Bewegung,
die in diesem Film, wenn auch mit großer Langsamkeit, stattfindet, nicht entfliehen,
aber sie können in ihr ruhen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass vor
allem Takashi das Auto fährt. Er ist der Ruhepol in den Beziehungsgeflechten,
von denen der Film erzählt. Wie kaum ein Zweiter vermag Kiarostami hier zu verdeutlichen,
was für eine beruhigende Wirkung Takashi auf andere Menschen hat.
Selbstverständlich
spielt auch das verschiedene Alter der beiden eine gewichtige Rolle, denn es
wird immer wieder von Leuten aus Takashis Vergangenheit erzählt und man sieht
ihm an, dass er sehr viel erlebt hat. Doch daraus entsteht nicht zwangsläufig
eine Erlöserrolle oder eine Belehrung. Viel mehr erweckt Akiko die natürliche
Freundlichkeit in Takashi. In der schönsten und gleichzeitig seltsamsten Szene
des Films, sitzt Takashi am Telefon (auch ein wiederkehrendes Motiv) und soll
einen Text übersetzen, während Akiko durch seine Bücherregale streift und mit
einem leicht freudigen Lächeln diese Sammlung bewundert. Es ist noch kein Wort
zwischen den beiden gewechselt worden und sie scheinen sehr unterschiedlich zu
sein. Und doch schafft der Film es, sofort einen Verbindung zwischen den beiden
zu ziehen, die sich durch den ganzen Film hindurchzieht und die beiden zumindest
zeitweise von ihrer Erschöpfung befreien kann. Dies fasst auch die Ästhetik des
Films, die von eben dieser Natürlichkeit und einer gleichzeitigen unbestimmten
Pose geprägt ist, gut zusammen. In der Welt des Films könnte man das vielleicht
sogar als Liebe bezeichnen, denn er macht immer wieder deutlich, dass diese
keineswegs einfach oder handfest ist. Er macht eher deutlich, und da ist er Wong
Kar-Wais „In the Mood for Love“ nicht unähnlich, dass Liebe sich nicht nur
nicht rational erklären lässt, sondern überhaupt nicht beschreiben lässt. Davon
ausgehend, entwickelt sich eine Erzählung vom Erkennen dieser Idee, was die
Verzweiflung der Figuren, die sich bis auf die letzte Szene niemals aus den Figuren
herausbricht, thematisiert.
Die wenigen, aber enorm präzisen Schnitte, verstärken
die Natürlichkeit der filmischen Erzählung noch mehr. Hier soll alles in seiner
Langsamkeit oder Schnelligkeit beobachtet werden, die Kamera greift nicht in
die Szenerie ein, sie dokumentiert die Geschehnisse nur. Der Film vereinnahmt nicht
nur den Zuschauer, sondern macht sich auch gemein mit seinen Figuren. Wenn
Akiko in einer unendlich langen Taxifahrsequenz ihre Mailbox abhört und dann
ihre Großmutter sucht, dann sucht der Film mit ihr, dann möchte er ihr die
Möglichkeit geben, zu finden wonach sie sucht. Irgendein Filmemacher sagt einmal,
dass der Regisseur seine Figuren in jedem Fall mögen müsse, wenn er etwas von
ihnen erzählen wolle. Die Sympathie des Films für seine Figuren verbindet sich
mit einer sehr genauen Analyse der Beziehungen der Figuren untereinander.
In vielen Szenen werden viele
Worte gewechselt, dann wiederum lange gar keine mehr, sondern es sind nur
Geräusche hören. „Like Someone in Love“ zeichnet aus, dass er sowohl das Gesagte,
als auch das Nicht-Gesagte thematisiert. Er verbindet auf beeindruckende Art
und Weise eine genaue Untersuchung dessen, was die Figuren untereinander offen
aussprechen und die Vermittlung des Gefühls, dass viele Dinge nicht
ausgesprochen werden, dass die Konflikte der Liebe nicht einfach so aufhören
werden. Selbst in die ruhige Wohnung von Takashi fliegt am Ende ein Stein, selbst
der unverwüstliche Volvo muss irgendwann repariert werden. Aber die Zeichen und
Berührungen, mit denen sich die beiden verständigen und vermitteln, dass sie da
sind und aneinander denken, die können auch von der wütenden Raserei eines
Verlobten nicht aus der Welt geschafft werden.
Dieser Text wurde von Luca Schepers (@ArafatsSohn) verfasst.
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