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Freitag, 22. September 2017

Trennende und vereinende Träume-„On Body and Soul“


Eine eigentümliche und doch ganz natürliche Sequenz geht der ersten Szene von „On Body and Soul“ von Ildikó Enyedi voran. Ein Hirsch und eine Hirschkuh stehen in einem verschneiten Wald und berühren und beschnuppern sich. Gleich darauf befinden wir uns in einem Schlachthof, in welchem der Finanzdirektor Endre und die autistisch veranlagte Maria nach kurzer Zeit feststellen, dass sie jede Nacht den selben Traum haben, nämlich jene Szene im Wald.

Die Blicke der Protagonisten, vor allem die Endres, spielen am Anfang eine große Rolle. Es geht um seinen männlichen Blick auf die Welt. Die Kamera bewegt sich in einigen Szenen nur auf halber Höhe der Körper seiner Figuren, man kann nur bis zum Unterleib sehen. Außerdem wird eine Form von Kapitalismuskritik angedeutet, die jedoch kaum ausgearbeitet und mehr auf den Prozess der Fleischerzeugung abzielen zu scheint. Dieser wird in recht langen Szenen dargestellt, was in Teilen etwas moralisierend und seltsam anmutet, da man diese Thematik eigentlich einer andere filmische Ebene zuordnen würde.

Wie wir in diesem Jahr von David Lynch lernen durften, sind Realität und Traum keinesfalls voneinander getrennt, im Gegenteil: Die Realität kann einem manchmal wie eine einzige Abfolge von traumhaften Sequenzen vorkommen. In diesem Film, findet sich der Traum sehr konkret in der Realität wieder. Scheint es zu Beginn des Films noch so, als würden diese Ebenen zerfließen, als würden diese Szenen zwischen den Hirschen vielleicht gar kein Teil der Narration sein, geht der Film einen anderen Weg. Er schickt seine beiden sich langsam annähernden Figuren auf eine Reise, deren Ziel das Ende des Traumes ist. So versucht Enyedi am Anfang eine filmische Ebene zu etablieren, die sich aber nur sehr schwer greifen lässt. Sie geht den einfacheren Weg und nutzt diese audiovisuelle Ebene des Traums als Mittler ihrer ansonsten eher normalen Narration. So sind in den (sehr schön anzusehenden) Traumszenen jeweils die Entwicklungen zu erkennen, die die beiden im Laufe der Zeit durchmachen. Ihre Beziehung kann nur im Traum stattfinden, irgendwo fort von allem anderen. Dieser, sowohl traurige als auch schöne, Gedanke wird expliziert und in eine sehr reale Form gegossen. Am Ende sitzen beide beim Frühstück und erzählen, dass sie nun nicht mehr träumen. Alles ist nun klar, die beiden haben sich gefunden. Doch in einem schneeverhangenen Traum sind die Dinge nicht so klar voneinander zu trennen.

Es ist ein interessanter Ansatz, das jahrhundertalte Verhältnis von Körper und Seele in eine alltägliche und erfahrbare Form zu bringen. Der Film hat seine besten Momente, wenn er versucht, sich dieser Thematik zu nähern. Die Szene, in der Maria über eine Wiese an lauter Menschen vorbeigeht und vor einem sich küssenden Pärchen innehält, unfähig die gleichen körperlichen Erfahrungen zu machen wie sie, die sich in ihrer Seele jedoch wünscht, dann erlebt der Zuschauer einen seltenen, sehr tiefen Einblick in das Innere von Maria. Hier wird in einer kurzen Szene etwas gezeigt, was keiner großen Erklärung bedarf, sondern dem Zuschauer über einen Blickaustausch vermittelt wird. Diese Ansätze, das Thema nicht zu simplifizieren, sondern ihm filmische Bilder zu geben, sind immer wieder zu erkennen. Sie werden aber von simpleren Szenen, wie z.B. die,  in denen Maria mit Playmobil-Figuren eine Konversation simuliert und Figuren, die bereits von Anfang klar umrissen und einfach erzählt sind, immer wieder zurückgehalten.


Irgendwo in „On Body and Soul“ steckt etwas poetisches, eine Weite, die bis zur schieren Unendlichkeit reicht. Doch diese Poesie bleibt verborgen, überlagt von einfacheren Gedanken, von simplen Lebensmechanismen, Von Menschen und Tieren, die sich niemals ganz der Poesie einer traumhaften Welt hingeben wollen. 

Dieser Text wurde von Luca Schepers(@ArafatsSohn) verfasst.

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