Eine eigentümliche und doch
ganz natürliche Sequenz geht der ersten Szene von „On Body and Soul“ von Ildikó Enyedi
voran. Ein Hirsch und eine Hirschkuh stehen in einem verschneiten Wald und
berühren und beschnuppern sich. Gleich darauf befinden wir uns in einem
Schlachthof, in welchem der Finanzdirektor Endre und die autistisch veranlagte
Maria nach kurzer Zeit feststellen, dass sie jede Nacht den selben Traum haben,
nämlich jene Szene im Wald.
Die Blicke der Protagonisten, vor allem die Endres,
spielen am Anfang eine große Rolle. Es geht um seinen männlichen Blick auf die
Welt. Die Kamera bewegt sich in einigen Szenen nur auf halber Höhe der Körper
seiner Figuren, man kann nur bis zum Unterleib sehen. Außerdem wird eine Form
von Kapitalismuskritik angedeutet, die jedoch kaum ausgearbeitet und mehr auf
den Prozess der Fleischerzeugung abzielen zu scheint. Dieser wird in recht
langen Szenen dargestellt, was in Teilen etwas moralisierend und seltsam
anmutet, da man diese Thematik eigentlich einer andere filmische Ebene zuordnen
würde.
Wie wir in diesem Jahr von David Lynch lernen
durften, sind Realität und Traum keinesfalls voneinander getrennt, im
Gegenteil: Die Realität kann einem manchmal wie eine einzige Abfolge von
traumhaften Sequenzen vorkommen. In diesem Film, findet sich der Traum sehr
konkret in der Realität wieder. Scheint es zu Beginn des Films noch so, als
würden diese Ebenen zerfließen, als würden diese Szenen zwischen den Hirschen vielleicht
gar kein Teil der Narration sein, geht der Film einen anderen Weg. Er schickt
seine beiden sich langsam annähernden Figuren auf eine Reise, deren Ziel das
Ende des Traumes ist. So versucht Enyedi am Anfang eine filmische Ebene zu
etablieren, die sich aber nur sehr schwer greifen lässt. Sie geht den
einfacheren Weg und nutzt diese audiovisuelle Ebene des Traums als Mittler
ihrer ansonsten eher normalen Narration. So sind in den (sehr schön anzusehenden)
Traumszenen jeweils die Entwicklungen zu erkennen, die die beiden im Laufe der
Zeit durchmachen. Ihre Beziehung kann nur im Traum stattfinden, irgendwo fort
von allem anderen. Dieser, sowohl traurige als auch schöne, Gedanke wird
expliziert und in eine sehr reale Form gegossen. Am Ende sitzen beide beim
Frühstück und erzählen, dass sie nun nicht mehr träumen. Alles ist nun klar,
die beiden haben sich gefunden. Doch in einem schneeverhangenen Traum sind die
Dinge nicht so klar voneinander zu trennen.
Es ist ein interessanter Ansatz, das jahrhundertalte
Verhältnis von Körper und Seele in eine alltägliche und erfahrbare Form zu
bringen. Der Film hat seine besten Momente, wenn er versucht, sich dieser Thematik
zu nähern. Die Szene, in der Maria über eine Wiese an lauter Menschen
vorbeigeht und vor einem sich küssenden Pärchen innehält, unfähig die gleichen
körperlichen Erfahrungen zu machen wie sie, die sich in ihrer Seele jedoch
wünscht, dann erlebt der Zuschauer einen seltenen, sehr tiefen Einblick in das
Innere von Maria. Hier wird in einer kurzen Szene etwas gezeigt, was keiner
großen Erklärung bedarf, sondern dem Zuschauer über einen Blickaustausch
vermittelt wird. Diese Ansätze, das Thema nicht zu simplifizieren, sondern ihm
filmische Bilder zu geben, sind immer wieder zu erkennen. Sie werden aber von
simpleren Szenen, wie z.B. die, in denen
Maria mit Playmobil-Figuren eine Konversation simuliert und Figuren, die
bereits von Anfang klar umrissen und einfach erzählt sind, immer wieder
zurückgehalten.
Irgendwo in „On Body and Soul“ steckt etwas
poetisches, eine Weite, die bis zur schieren Unendlichkeit reicht. Doch diese
Poesie bleibt verborgen, überlagt von einfacheren Gedanken, von simplen
Lebensmechanismen, Von Menschen und Tieren, die sich niemals ganz der Poesie
einer traumhaften Welt hingeben wollen.
Dieser Text wurde von Luca Schepers(@ArafatsSohn) verfasst.
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