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Freitag, 10. Juli 2015

"So assi dass es schon wieder geil kommt"





Dank einer hoffentlich nicht nur kurzfristigen Film-Offensive des Senders 3sat konnte der geneigte Zuschauer diese Woche nicht nur zwei Filme von Christian Petzold (die wunderbaren „Barbara“ und „Jerichow“), sondern auch eine ganze Reihe von Werken des Klaus Lemke bewundern. An dieser Stelle soll es um drei von ihnen gehen, namentlich „Kein großes Ding“, „Berlin für Helden“ und „Finale“, wobei letzter ganz sicher der schwächste aus diesem Trio ist.

 
Angesiedelt ist „Finale“ zur Zeit des vermeintlich „Sommermärchen“ während der Weltmeisterschaft 2006, was nicht nur in der Hinsicht, dass Lemke sicher sein konnte, dass nicht er, sondern Sönke Wortmann den schlechtesten Film des Sommers abdrehen sollte, ein cleverer Schachzug ist. Der Gegensatz des Partypatriotismus zu den leeren Leben der Protagonisten stellt eine interessante Grundkonstellation dar, doch mit dem Ausscheiden der deutschen Mannschaft gegen Italien verliert auch der Film etwas an Fokus und Genauigkeit. Die Liebesgeschichte der beiden Hauptdarstellerinnen bleibt bis zum bitteren Ende irgendwie ungreifbar, erscheint aber immerhin konsequent als logische Fortführung des eskapistischen (wenn auch etwas debilen) Fahnengeschwenke während der Fußball-Weltmeisterschaft. Wie leer das „Die Welt zu Gast bei Freunden“-Geschwafel letztlich war, zeigt Lemke an den ähnlich leeren Sexeskapaden seiner Protagonisten, was dem Film eine gewisse, in Ermangelung eines besseren Wortes, „Räudigkeit“ zuteilwerden lässt, die scheinbar eines der hervorstechendsten Merkmale von Lemkes Kino ist. (Eine, sich fernab von jeglicher Räudigkeit befindliche, aber nichtsdestotrotz ebenso entlarvende Sicht auf den Weg der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 2006 findet sich in einem der tollen Hefte der nicht minder tollen Crew von Spielverlagerung.de)

„Die sind so assi, dass es schon wieder geil kommt“ heißt es an einer Stelle in „Kein großes Ding“ - besser kann man diesen Film wohl auch nicht zusammenfassen. Im Gegensatz zu schlimmen Filmen wie „3 Zimmer/Küche/Bad“, in denen die Protagonisten irgendwelche behauptete Probleme lösen müssen und dabei durch die Bank weg so nervtötend sind, dass einem nichts anderes übrig bleibt als lauthals loszuschreien, sind die Figuren und Probleme in „Kein großes Ding“ sehr viel interessanter. Verlierer, immer träumend vom ganz großen Durchbruch, ob nun als Stripper, Raubkopierer oder James-Brown-Imitator, aber eigentlich nur auf der Suche nach einer Zigaretten, einer Bleibe oder dem nächsten Kaffee. Keine gescheiterten Künstler, sondern etwas dämliche Kleinkriminelle, die mit der Welt um sich herum einfach nicht klar kommen und sich an LIDL-Plastiktüten festhalten. Große Pläne machen kann man ja trotzdem – im Knast landet man früher oder später sowieso. Ein Ziel oder eine feste Richtung hat hier keiner, selbst der vermeintlich erfolgreiche Dealer („Der sieht aus wie‘n Sack Muscheln“) macht ein Yogacafé auf, wenn das mit dem Anbau nicht klappt. Wenn du kein Spießer bist, hast du auch keine Prinzipien.

So assi, dass es schon wieder geil kommt ist auch „Berlin für Helden“, der dritte und mit ziemlicher Sicherheit beste der hier besprochenen Lemke-Filme. Anders als viele andere aktuelle Großstadtfilme, beispielsweise der völlig über Gebühr gefeierte „Victoria“ von Sebastian Schipper, macht Lemke seine Figuren wirklich fassbar ohne in allzu klischeetriefende Vorstellungen von Jugend abzudriften und trotzdem treiben die Figuren durch ihre Leben auf der Suche nach etwas Unbestimmten, offen für alles, sprunghaft und weit weg von den behaupteten Künstlerproblemchen, die das Bild von Großstädten prägen. Hier wird nicht für das letzte Bier gesammelt, sondern lieber Wodka gestohlen. Alle drei Filme sind sehr beweglich, aber „Berlin für Helden“ atmet besonders frei, ungebunden an übliche Strukturen und dabei doch sehr greifbar, was durch die ästhetischen Kompositionen deutlich unterstrichen wird. Im schönsten Bild des Films ist Saralisa Volm vor eine gelben Wand zu sehen, starr den Blick in die Kamera gerichtet und in diesem Moment wird deutlich, warum der Titel des Films „Berlin für Helden“ ist. Weil auf ihre ganz eigene Art und Weise jede von Lemkes Figuren ein Held ist.

Der Text wurde von David Schepers(@fantazeromane) verfasst

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