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Freitag, 10. Juli 2015

Eine Liebeserklärung an „Kikis kleiner Lieferservice“




Hayao Miyazaki hat im letzten Jahr mit „Wie der Wind sich hebt“ seine Karriere beendet. Bereits eines seiner früheren Werke, die Verfilmung eines japanischen Kinderbuches „Kikis kleiner Lieferservice“ zeigt, warum die Filme des Studio-Ghibli-Gründers uns allen sehr fehlen werden.

 
Die Handlung des Films ist simpel und dennoch wunderschön: Die junge Hexe Kiki zieht gemäß eines alten Brauchs mit 13 für ein Jahr in eine fremde Stadt, um sich als Hexe zu beweisen. Nach einigen Startschwierigkeiten beginnt sie einen kleinen Lieferservice in einer großen Stadt am Meer zu betreiben. Doch sie hat immer mehr mit Selbstzweifeln und ihrer Einsamkeit in der Großstadt zu kämpfen.
Die Bilder sind wunderbar gezeichnet und beeindruckend animiert, wenn man bedenkt, dass der Film 1989 gemacht wurde. Gerade die Szenen in denen Kiki auf ihrem Besen fliegt sind fantastisch gezeichnet und inszeniert. In jedem Dialog, in jeder Figur des Films kommt eine Liebe für das Kino zum Ausdruck, wie man sie sonst selten sieht.

Tradition trifft auf die fortschreitende Technologisierung
Das Thema Technologisierung wird hier durchaus interessant verhandelt. Kiki ist eine Hexe, die auf ihrem Besen fliegt, während der, um sie bemühte, Tombo, sich sehr für Flugmaschinen und das Fliegen an sich begeistert. Welches Bild kann den Konflikt zwischen Moderne und Tradition besser darstellen, als der Moment in dem Kiki aus ihrem kleinen Dorf mit einem Besen in eine große Stadt am Meer fliegt und dort zwischen lauter modernen, mechanischen Geräten Probleme hat, sich an den schnellen Verkehr zu gewöhnen? Oder die beiden älteren Damen auf dem Land, die, nachdem ihr elektronischer Ofen nicht funktioniert, ihre Fischpastete nur dadurch rechtzeitig fertigstellen können, dass Kiki mit ihnen einen alten, traditionellen Steinofen wieder in Betrieb nimmt. Man könnte nun noch weitere Szenen nennen, in denen deutlich wird, welchen Ansatz der Film mit seiner Darstellung verfolgt. Der Film ist neuen Technologien gegenüber nicht unaufgeschlossen und zeigt auch deren große Möglichkeiten, ist jedoch auch ein Plädoyer für traditionelle Handarbeit - denn mit genau dieser Handarbeit schafft er diese herrlichen Bilder.

Haltung des Films zum Fremdenhass
Des Weiteren entwickelt der Film eine klare Haltung gegenüber Fremdenhass. Die Menschen sind anfangs eher verschreckt und die jungen Leute in der Stadt machen sich über Kiki lustig. Miyazaki begeht hierbei nicht den Fehler Kiki als klassische junge Hexe darzustellen. Die Selbstzweifel, die Kiki in eine Phase der tiefen Trauer verfallen lassen, und sie sogar der Kraft des Fliegens berauben, zählen zu den traurigsten Momenten des Films. Den ganzen Film über, versucht sie von den Menschen akzeptiert zu werden. Das junge Mädchen steht unter großem Druck, bis sie sogar von ihrem kleinen, schwarzen Kater verlassen wird, da dieser lieber mit dem Kätzchen von nebenan anbändelt.  Eine Figur, wie z.B: Bibi Blocksberg, hätte sich die Zuneigung der Menschen durch ihre Hexenkräfte erhalten. Kiki jedoch wird von den Menschen eher dadurch akzeptiert, dass sie hilfsbereit und liebenswürdig ist und sich das Vertrauen der Menschen erarbeitet. Dies liegt aber auch daran, dass Kiki als sehr fleißig und strebsam charakterisiert wird. Diese Tugenden sind es auch, die ihren Lieferservice so erfolgreich machen, da sie Wind und Wetter trotzend alle Lieferungen ans Ziel bringen möchte. Sie beweist damit, dass sie sich trotz ihres jungen Alters ihrer Verantwortung bewusst ist.

Über die Resilienz von Kiki
Eine spannende Frage im Zusammenhang mit diesem Film ist, ob Kiki sich, wie andere literarische Figuren, wie z.B: Pippi Langstrumpf oder Ronja Räubertochter, auch zur Resilienzförderung bei Kindern nutzen lässt. Dies ausführlich zu analysieren, würde eine eigene Seminararbeit erfordern(und außerdem mehr Fachwissen über dieses Thema),aber ein paar Sätze kann man dazu noch sagen. In der Resilienforschung werden drei verschiedene Schutzfaktoren benannt: Die familiäre Ebene, die personale Ebene und die soziale Ebene. Auf der familiären Ebene kann man über Kiki sagen, dass ihre Eltern zwar nur am Anfang und am Ende des Films zu sehen sind, sie ihre Tochter jedoch in dem unterstützen, was sie tut. Die enge Bindung zu ihren Eltern erkennt man den ganzen Film über, vorwiegend dadurch dass Kiki selbst in ihren schlimmsten Momenten immer wieder das Radio ihres Vaters anschaltet. Ihr Umfeld ist gesichert und es fällt ihr durchaus schwer, ihr Zuhause zu verlassen. Allerdings findet sie in der Großstadt am Meer sehr schnell eine Art Ersatzfamilie in der Bäckerei und mit ihrem schwarzen Kater Jiji ist immer ein Stück Zuhause bei ihr. Dass ihr dies enorm wichtig ist, wird in dem Moment deutlich, als sie feststellt, dass sie nicht mehr mit ihm sprechen kann. Damit ist sie nun ganz auf sich allein gestellt. Auf der personalen Ebene kann Kiki mit einer fast durchgehend positiven Lebenseinstellung punkten, sowie einer hohen sozialen Kompetenz. Ihr gelingt es sehr schnell Kontakte zu knüpfen und sie ist den Menschen gegenüber sehr offen . Dies wird unter anderem dadurch belohnt, dass sie ein Zimmer in der Bäckerei bekommt und dort ihren Lieferservice einrichten darf. Sie verfolgt ihr Ziel, nämlich anerkannt zu werden, bei allen Rückschlägen sehr konsequent. Dass sie ihrem späteren Freund Tombo anfangs ablehnend gegenübertritt, kann man guten Gewissens mit dem normalen Verhalten einer pubertierenden 13-jährigen gegenüber einem gleichaltrigen Jungen begründen. Der letzte Faktor, nämlich die soziale Ebene, ist bei Kiki ebenfalls gut ausgeprägt, da sie in Kontakt mit vielen verschiedenen Menschen steht. Dass sie auch eine gute Beziehung zu Leuten außerhalb ihres direkten Umfelds, nämlich der Bäckerei, aufbauen kann, wird vor allem durch ihre Freundschaft mit der Künstlerin Urusula deutlich, zu der sie, ohne sie lange zu kennen, eine sehr enge Bindung auf. Man kann also nach dieser kurzen Analyse sagen, dass man Kiki als resiliente und starke Figur bezeichnen könnte.
Man könnte nun noch auf die Darstellung der Großstadt, die Behandlung der Fantasiefigur „Hexe“ oder die Rolle der Tiere eingehen und evtl. werde ich das an anderer Stelle auch noch einmal tun.
„Kikis kleiner Lieferservice“ ist eine unglaublich vielseitige, großartige Abhandlung und zwar nicht nur über den Reifeprozess eines Kindes. Er erzählt auch etwas über gesellschaftliche und technische Entwicklungen und zeigt all dies in seiner wundervollen Bildsprache. Miyazakis Filme fehlen mir jetzt schon und dabei ist seit seinem letzten Film erst knapp ein Jahr vergangen.




Dieser Text wurde von Luca Schepers(@ArafatsSohn) verfasst.

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