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Montag, 29. Juni 2015

"Die große Liebe ist etwas, dass ich zur Zeit überhaupt nicht gebrauchen kann"



Polizeiruf 110: Kreise – Christian Petzold
Über die Rolle des Münchener Polizeirufs als Spielwiese der renommiertesten Regisseure des Landes ist an anderer Stelle bereits zur Genüge geschrieben worden, trotzdem entfaltet "Kreise", dieser meisterliche Film aus der Feder von Christian Petzold, gerade in Zusammenhang mit Dominik Grafs letztjährigem "Smoke on the Water" eine besondere Qualität und Ebene.
Beide Regisseure widersetzen sich dem langjährigen Trott des Sonntagabendkrimis, jedoch mit geradezu gegensätzlichen Ansätzen – wo Graf zum Frontalangriff bläst, formatsprengend und wild fabulierend, begnügt sich Petzold mit feinsinnigen Spitzen und metatextuellen Überlegungen. In einer besonders gelungenen Szene unterhalten sich der von Matthias Brandt wie üblich formidabel gespielte Hauptkommissar und sein Hauptverdächtiger über die ewige Wiederkehr (von Zügen), der selbe Zug zur selben Zeit, was sich wunderbar auf die eingefahrenen Sonntagkrimis (und im Übrigen auch die Rezeption dieser) übertragen lässt. "Kreise" interessiert sich jedoch nicht in erster Linie für metatextuelle Sticheleien oder gar seinen Krimiplot, im Gegenteil, Petzold bleibt sich und seinem Werk treu. Der Regisseur lässt viel Raum für Zwischentöne und lässt seinen großen Schauspielern Platz zur freien Entfaltung. Wie in fast jedem seiner Filme geht es um Leidenschaften, menschlichen Dramen, oft verborgen unter der vermeintlichen Spröde, die vielen Filmen der Berliner Schule möglicherweise die gerechte Anerkennung verwehrt. Wenn die vorzüglich spielende, Brandt in Nichts nachstehende, Barbara Auer ihren Abschied aus München verkündet und die zärtlich geknüpften Bande zwischen den beiden Polizisten zerreißen, spürt man eine tiefe Tragik, die in einem deutschen Fernsehkrimi seit langem nicht mehr zu beobachten war. "Die große Liebe ist etwas, dass ich zur Zeit überhaupt nicht gebrauchen kann" sagt Constanze an einer Stelle dieses rundum schönen Films, große Gefühle kann der Sonntagabendkrimi sehr gut gebrauchen und seien sie versteckt in den vielen Leerstellen, den Pausen und den schweigenden Blicken, die, so klischeehaft es klingen mag, in Petzolds Filmen immer die Welt bedeuten können.

Doch nicht nur die Leidenschaften, auch das Gefühl für die Platzierung von Figuren im Raum ist beachtlich, immer wieder werden Figurenkonstellationen alleine durch ihre Positionierung zu einander definiert, wie es auch Paul Thomas Anderson in seinem wohl besten Film "The Master" eindrucksvoll versteht. Am Ende schließen sich die titelgebenden Kreise und es bleibt zu hoffen, dass der bereits angekündigte nächste Petzold-Polizeiruf ähnlich eigenständig und vor allen Dingen leidenschaftlich sein wird. Dem deutschen Fernsehen kann so viel Mut nur gut tun.

Dieser Text wurde von David Schepers(@fantazeromane) verfasst.

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