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Freitag, 9. September 2016

Ein langsames Ersticken – zur zweiten Staffel von True Detective


 
  1. A woman drowning on a dry land. Ani (vielleicht nie zuvor so gut: Rachel McAdams) erstickt an Maskulinität. Ray (beeindruckend: Colin Farrell) ist durch die Vergewaltigung seiner Frau für immer gezeichnet. Woodrughs Homosexualität ist die ultimative Schwäche. Frank (entweder großartig oder schrecklich, ich bin nicht sicher: Vince Vaughn) versucht überfordert, die Kontrolle zu behalten, sein Gesicht zu wahren.
  2. Die Stadt als Moloch. Kühle Panoramen, weite Straßen und graues Beton ersetzen die sinistren Sümpfe der ersten Staffel. Nicht unbedingt eine neue Idee, die moderne Großstadt als Loch ohne Boden darzustellen, selten jedoch in dieser Eindringlichkeit gesehen. Die Institutionen sind verschwunden, degeneriert und überführt in kriminelle Strukturen. Weite Bilder, doch die Stadt eine Fülle von Leerstellen, kein Leben mehr. Nirgendwo.
  3. Alkohol funktioniert nicht mehr als Fluchtmöglichkeit, gibt es doch nichts, wohin geflüchtet werden könnte. Ohnehin erinnert True Detective in der zweiten Staffel häufig an das Gefühl des Aufwachens bei Sonnenuntergang nach einer langen, verrauchten,von Alkohol getränkten Nacht. Immer wieder eingestreute Momente der vollständigen Orientierungslosigkeit, es scheint so, als ob sich nie wieder erholt werden könnte. Vielleicht wäre postalkoholische Depression der richtige Ausdruck für das Gefühl der Serie.
  4. Überholte, aber internalisierte Konstruktionen von Maskulinität und Ehre nehmen die Luft zum Atmen. Ray kämpft immer noch mit der Vergewaltigung seiner Frau als Angriff auf seine eigene Maskulinität, ohne die seelische Zerstörung bei seiner Frau als solche zu erkennen und Woodrughs größte Angriffsfläche ist seine Homosexualität, oder besser gesagt die dadurch empfundene Entmännlichung.
  5. Geschlechterverhältnisse sind kaum noch als solche zu erkennen. Frauen funktionieren bestenfalls als Objekte, haben nur so eine Daseinsberechtigung, verschwinden sonst aus dem Fokus (nicht nur der Welt, sondern auch der Kamera)
  6. "Wir treiben doch unaufhörlich zurück in die Vergangenheit" heißt es am Ende von "Der große Gatsby"; die Figuren in dieser Serie haben den Versuch zu entkommen längst aufgegeben. Der Epilog erinnert in seiner Konsequenz an das Ende der fünften Staffel von The Wire, doch zehn Jahre nach dem Ende von David Simons Baltimore-Epos ist der letzte Rest von Hoffnung auf ein systemimmanentes Aufatmen verschwunden.
  7. David Finchers einziger wirklich guter Film Zodiac ist wie schon in Staffel 1 eine Referenz. Ein Plot, der aus dem Nichts kommt, kompliziert erscheint, häufig verschwindet und doch im Nichts endet. Die erdrückende Leere hält Plot und Figuren fest umschlungen.
  8. Zugeben, das dysfunktionale Verhältnis zu seiner Mutter und seine schwangere Alibifreundin sind etwas zu viel des Guten – genau wie Anis traumatisches Kindererlebnis oder das unnötige Nachtreten gegen Cary Fukunaga. But nevermind.
 Dieser Text wurde von David Schepers(@fantazeromane) verfasst.

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