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Montag, 6. April 2020

Die Sprachlichkeit der Bilder-Zu einigen Filmen von Sky Hopinka


Die Frage nach Sprache und Übersetzung im Kino ist eine sehr grundlegende und wird, so scheint mir, auf die Verteidigung eines bizarren Original-Fetischismus reduziert. Eine wesentlich vielfältigere Herangehensweise an dieses und andere Themen bieten die Filme von Sky Hopinka, einem jungen amerikanischen Filmemacher, der (meines Wissens nach) Teil der Ho-Chunk Nation ist, einem indigenen Volk, das Teil der Sioux-Sprachfamilie ist und deren Sprache er sowohl lehrt, als auch in seinen Filmen verarbeitet.

In den Filmen von Sky Hopinka geht es ganz grundlegend um die Frage, wie man die Welt durch etwas betrachten kann. Interessanterweise steht dabei nicht primär die Kamera im Fokus, sondern alle möglichen Spielarten des filmischen Ausdrucks und nicht zuletzt die Frage, welche ästhetischen Möglichkeiten indigene Sprachen abseits des rein linguistischen Ausdrucks bieten können.

Am Anfang von “Kunįkága Remembers Red Banks, Kunįkága Remembers the Welcome Song” blickt die Kamera  minutenlang durch ein verregnetes Autofenster, während im Hintergrund eine Geschichte erzählt wird. Bereits hier lässt sich die immer fortwährende Parallelität von Text und Beobachtung erkennen. Die Kamera illustriert dabei nicht die erzählte Geschichte, sondern beide Ebenen fungieren als eigenständige Ausdrucksmöglichkeiten. Die Kamera ist dabei geradezu nebensächlich, sie ist nicht mal eine wirklicher Beobachter, sondern dient eher der Verortung des Zuschauenden im filmischen Raum. Im Anschluss an die Autofahrt, bewegt sie sich langsam auf ein Meer zu und zeigt schließlich nur noch das Wasser. Viel wichtiger ist hier jedoch die große Lautstärke eben dieses Wassers, die diese Szene dominiert. Auch hier zeigt sich, dass Hopinka keine Szenerien erzählen möchte, sondern diese ethnographischen Beobachtungen, die z.B. in „Visions of an Island“ noch stärker zu Tage treten, für den Zuschauer unmittelbar erlebbar machen möchte. Dabei reißt er bereits in diesem ersten Film die Frage an, die sein Werk durchzieht und zwar die nach dem Zusammenhang von Wahrnehmung, Natur und Sprache. Dabei findet sich hier auch ein wichtiges Prinzip seiner Filme, nämlich das Übereinanderschieben von Text- und Bildebenen im wörtlichen Sinne.

Sowohl in „Kunįkága Remembers Red Banks, Kunįkága Remembers the Welcome Song” als auch in “Wawa” finden sich einige Szenen, in denen Text über das Bild läuft. Mal dient es der Übersetzung einer Erzählung, mal der Erzählung einer Überlieferung. „Wawa“ ist in dieser Hinsicht ein sehr wichtiger Film für das Verständnis der anderen Filme, weil er auf recht klare Art zeigt, dass die Unterschiede zwischen der indigenen Sprache (Wawa) und dem Englischen nicht nur auf linguistischer Ebene, sondern vor allem in der Tonalität deutlich werden. Um diese klare Unterscheidung scheint mir Hopinka aber nicht ausschließlich zu gehen. Wenn er einen Mann in dieser Sprachen sprechen lässt und gleichzeitig in den Untertiteln sowohl die Übersetzung, als auch deren Vieldeutigkeit klarmacht, dann zeigt sich dort ein Wille zur Emanzipation, der keine Abgrenzung, sondern eine Eigenständigkeit produzieren möchte. Im Laufe des Films überlagern immer mehr Laute, Untertitel und abgefilmter Text einander und münden schließlich in der Feststellung, dass diese Sprache zu lernen nur durch das Sprechen an sich möglich sei.

Dieses Nachspüren der Auditivität und der Wirkung einer Sprache setzt sich auch in „Jàaji Approx“ fort. Auch hier finden sich wieder eine aus dem Auto heraus gefilmte Fahrt auf der Autobahn und betörend schöne Naturbilder. Dabei sucht Hopinka nach Bildern, die er mit alten Tonaufnahmen seines Vaters verbinden kann. Diese Suche ist assoziativ angelegt und folgt dabei vor allem einem losen Prinzip, das sich durch die Filme durchzieht, nämlich das der sanften Überlagerung. Die Naturbilder sind nicht perfekt gesetzt oder als dokumentarische Aufnahmen in Szene gesetzt. Viel mehr lässt sich in jedem von ihnen eine Eigentümlichkeit, eine leichte Abweichung finden, die das ursprüngliche Bild überlagert, sei es wieder ein Text oder aber das Bild eines Berges, das in der Oberhälfte des Bildes auf den Kopf gestellt wird, eine Szene, die sich am Ende des Films mit einem Sonnenuntergang wiederholt.

Diese Überlagerungen, die von den Tonaufnahmen noch verstärkt werden, sind auch deshalb so interessant, weil sie nicht eine feste Sprache evozieren, sondern viel mehr Bilder einer Sprachlichkeit produzieren. Diese Sprachlichkeit zeichnet sich dadurch aus, dass sie nicht auf die Übertragung einer feststehenden Erzählung oder Interpretation ausgerichtet ist, sondern versucht, eine eigenständige Wahrnehmung zu produzieren. Es mag auch an ihrer durchaus ethnographischen Herangehensweise liegen, dass die Filme von Sky Hopinka diese Wahrnehmung eben nicht kennen, sondern man hier miterleben kann, wie sich diese Wahrnehmung entwickelt. Das scheint mir auch einer der Kernaspekte der indigenen Sprachen zu sein, die Hopinka immer wieder als filmischen Ausgangspunkt verwendet und damit, wie Laura Marks es ausdrückte, das Potential dieser Sprachen zum Unterschreiten von herrschenden Wahrnehmungsnormen nutzt. Auch in „Visions of Island“ finden sich viele der genannten Aspekte wieder, etwa wenn die Kamera eine Gruppe von Seerobben filmt und dann auf einmal zurück und eine Treppe heruntergeht. Dabei sucht die Kamera aus verschiedenen Perspektiven die Insel nach Bildern ab, z.B. in einem der Häuser oder wieder am Meer und am Strand. Und plötzlich sehen wir wieder das in der Mittel geteilte Bild, mit einem Tier unten und einer gekippten Menschenansammlung oben. Neben den vielen wunderschönen Bildern, die der Film hier findet, wird hier die Mehrdeutigkeit des filmischen Blicks deutlich. Wie der Titel schon sagt, geht es um verschiedene Blickwinkel auf eine Welt, die aber nicht Personen oder Figuren zugeordnet werden, sondern die eine Eigenständigkeit als Blickwinkel besitzen und dem Zuschauer ein besonderes Erleben ermöglichen. Diese Idee wird in „I’ll Remember You as You Were, Not as What You’ll Become” (Hopinkas schönster Titel) noch weiterentwickelt. Dieser Film beginnt mit einer Texteinblendung und anschließendem Chor-Gesang und bunten, abstrakten Figuren ohne Gesichter, die sich hinter und innerhalb eines Vorhangs bewegen zu scheinen. Hopinka löst sich hier noch viel mehr als vorher von menschlichen Figuren und der zu Beginn seiner Filme noch stärker ethnographisch geprägte Blick weicht einer zunehmenden Abstraktion. Interessanterweise vermischt er diese abstrakten Bilder mit einem Vortrag einer Frau. Dabei erscheint es mir so, als wolle der Film hier keinen Konflikt zwischen Welt und Abstraktion erzeugen, sondern eine Gleichzeitigkeit herstellen, die die gegenseitige Beeinflussung betont. An einer zweiten Texteinblendung in Form eines Menschen findet sich sogar ein expliziter Hinweise auf die Bedeutung des Bewusstseins für die menschliche Existenz. Auch in „Anti-Objects, or Space Without Boundary“ findet sich ein recht direkter Verweis auf die Methode der Filme von Sky Hopkina: „The image remains fragmented; it never coalesces“. Die Bilder stehen zwar im Verhältnis doch am Ende eben auch für selbst. Die angesprochene sanfte Überlagerung zeigt eher eine Koexistenz als ein Zusammenfließen.

Am Ende von „Jàagi Approx“ sieht man einen Mann, der aus seinem Autofenster in eine Landschaft schaut. Aus seinem offenen Fenster sieht der Himmel bläulich aus, aus dem hinteren Fenster hat der Himmel jedoch eine gelbliche Farbe angenommen. Im Hintergrund hört man ein leises Pfeifen. Ein schönes Symbolbild für einige Filme von Sky Hopinka, in denen es am Ende oft darum geht, auf eine bestimmte Art und Weise auf die Welt zu blicken und die Frage, welche Sprachen dabei eine Rolle spielen.

(Die Filme von Sky Hopinka sind zu einem Großteil auf seinem Vimeo-Account zu finden: https://vimeo.com/skyhopinka.
Darauf gestoßen bin ich durch die Shutdown Stories II der Cargo: https://www.cargo-film.de/on-demand/shutdown-stories/shutdown-stories-ii/“)
Dieser Text wurde von Luca Schepers (@ArafatsSohn) verfasst.

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