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Mittwoch, 21. Februar 2018

Der Lärm der Stille- Lav Diaz‘ „Season of the Devil“


In seinem neuen Film erzählt Lav Diaz wieder mal von der Geschichte der Philippinen Ende der 70er-Jahre. Eine autoritäre Militärdiktatur hat sich gebildet und jegliche revolutionäre Stimmen sollen mit Gewalt unterdrückt werden. Das Ganze erzählt er in Schwarz-Weiß, sowie mittels Gesang, der ohne Musikunterstützung auskommt (er selbst bezeichnete den Film als „Rock-Oper“).

Diaz ist von Beginn an sehr nah an den Menschen. Seine Kamera bewegt sich nur sehr selten einmal, viel mehr rückt er seinen Figuren in starren Einstellungen in den Bildfokus. Es dauert sehr lange, bis sich so etwas wie eine klare Handlung herauskristallisiert. Davor werden Menschen beim Tun beobachtet. Sei es Lesen, Schreiben, Laufen oder andere sehr alltägliche Vorgänge. Sie schweigen dabei, im Hintergrund sind laufend leise Tiergeräusche zu hören. Der Film stellt so gleich zu Beginn eine eigentümliche Stimmung her. Durch eine einleitende Erzählerin, die den Film historisch verortet und die Vorgeschichte erzählt, bekommen alle nachfolgenden, recht harmlosen Szenen eine andere Bedeutung. Es schwebt etwas über diesem Film und es ist schwierig, dies am Anfang beschreiben zu können. Verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass die scheinbare Ruhe im Bild stets durch Töne aus dem Off unterbrochen wird. Die Gesangszeilen werden sehr oft wiederholt, zum Teil wird auch durcheinander gesungen. Vor allem später wird die Wiederholung bzw. Dopplung zum beherrschenden Konzept. Außerdem erkennen sich die Figuren in diesem Gesang selbst als Subjekt und Diaz versucht dem Film einen Rhythmus auf mehreren Eben zu geben, was ihm nicht ganz gelingt. Die Figuren drücken in ihrem zum Teil sehr traurigen Texten, die eher in Richtung Klagelied gehen, die Sehnsucht nach Erlösung aus, immer und immer wieder. Doch wie soll es die in dieser Welt geben? Die Menschen sehen sich nach einer Rückkehr, nach einer Welt, die ihre Farben wiederbekommt, ihnen bleibt aber nichts davon vergönnt. Diaz erzählt hier von einer Welt, die eigentlich das Ende schon erlebt hat. Und dann gibt es keine andere Möglichkeit mehr, hier wird dieser Film fast schon klassisch, als ein Lied anzustimmen (Nicht umsonst ähnelt der stetig einsetzende Regen sowohl visuell als auch auditiv an RASHOMON, ein Film, der ebenfalls vom Ende erzählt).

Die Stabilität des Films rührt vor allem aus seiner klaren Bildkomposition, die im Kontrast zu der vor allem gegen Ende des Films immer schwerer zu ertragenden Brutalität und der hoffnungslosen Welt, in der wir uns befinden, steht. Dabei stellt er verschiedenste Reaktionen auf das Verzweifeln an dieser Welt dar, sei es Alkohol, Trauer oder pure Wut. Die Bilder versuchen dabei, sich mit den Unterdrückten gemein zu machen, was gerade in der Mitte des Films, in der er sich und mich etwas verliert, nicht so ganz zu funktionieren scheint. Die visuelle Klarheit, die eigentlich für Geradlinigkeit stehen könnte, verstärkt das unangenehme Gefühl nur noch, dass sich im Laufe des Films immer mehr einstellt. Dazu kommen die ganz leichten Bewegungen der Kamera, die Diaz von Zeit zu Zeit einstreut. Im letzten Drittel eskaliert der Film dann auf seltsame Weise, er zeigt Szene von brutaler physischer und psychischer Gewalt, die Dunkelheit erfasst diesen Film endgültig, das Chaos tritt ins Bild hinein. Das Trauma zweier Menschen tritt zutage, welches symbolisch für das eines ganzen Landes steht. Da ist dann allerdings schon sehr viel Zeit vergangen, sodass sich das Gefühl nicht leugnen lässt, der Film erzähle hier weniger und unklarer als er könnte.

Geschichte funktioniert in diesem Film als filmischer Raum, der existiert, mit der Gegenwart korrespondiert und durch irgendwas gespeichert werden muss. Immer wieder tauchen verschiedene Medien auf, z.B. eine Schreibmaschine oder ein Stapel Bücher. Besonders anhand eines Poeten wird dargestellt, dass Medien einen eminent wichtigen Speicher von Geschichte darstellen (hier thematisiert Diaz selbstverständlich auch sein eigenes Werk).
In einer der schönsten Szene des Films sieht man zwei Menschen, die sich eine sehr lange Zeit umarmen, ganz ruhig und ohne erkennbaren Grund. Doch man spürt, dass der Film und seine Figuren sich danach sehnen, dass alles gut wird. Doch am Ende wird deutlich: Das kann niemals geschehen, zu stark ist das Trauma, zu tief sind die Wunden.


Dieser Text wurde von Luca Schepers(@ArafatsSohn) verfasst. 

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