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Dienstag, 1. Dezember 2015

Thief




„Thief“ ist in vielerlei Hinsicht ein Film über eine Großstadt. Der nicht besonders originelle, um klassische Genremotive (Der letzte Coup vor dem „Ruhestand“, der Widerspruch zwischen Familienleben und Verbrechertum etc.) konstruierte, Plot dient Michael Mann lediglich als Aufhänger für das Portrait einer Großstadt bei Nacht.
Die Straßen sind nass, erleuchtet nur von Neonschildern und Straßenlaternen, die den Eindruck von Einsamkeit, den der deutsche Verleihtitel „Thief – Der Einzelgänger“ schon nahelegt, verstärken. Endlos scheinen die Reihen von Laternen, welche die trüben Highways in ihr wenig subtiles Licht tauchen und die trostlose Atmosphäre hervorheben, anstatt das sprichwörtliche Licht in der Dunkelheit darzustellen. Das Licht der Straße dringt auch in den persönlichen Bereich ein, insbesondere in einer der zentralen Szenen für die Beziehung des Protagonisten Frank zu seiner Freundin Jessie. Nach etwa einem Drittel des Films zwingt Frank Jessie, in einer äußerst unangenehmen Szene, dazu, sich mit ihm in ein Diner zu begeben, wie es wohl nur in amerikanischen Filmen existiert, und ein langfristiges Gespräch über ihre (gemeinsame) Zukunft zu führen, seine Pläne zu skizzieren und Jessie über seine Vergangenheit zu informieren. Das Gespräch findet vor einer Fensterfront statt und das bereits beschriebene Leuchten der Neonlampen, welches sich durch die Glasscheibe Bahn bricht, scheint das ganze Gespräch in Frage zu stellen. Besonders manifest wird die narrative Bedeutung des Lichts als Frank und Jessie gemeinsam des Nachts auf der Veranda ihres Vorstadthauses sitzen und das Licht der suburbanen Straßenbeleuchtung eine Wärme ausstrahlt, die in der Kühle und Nässe der Innenstadt kaum vorstellbar ist. Auch der letzte Moment der Ruhe vor dem abschließenden Inferno spielt bei natürlichem Licht, nach dem geglückten Heist sind die Familien an den Strand gefahren und sind, wahrscheinlich zum ersten Mal im Film, wirklich gelöst, was von der geradezu befreit wirkenden Inszenierung der Reflektion des Sonnenscheins auf den Wellen nur unterstrichen wird. Da ist es nur konsequent, dass es sich beim alles entscheidenden Überfall um einen Diamantenraub handelt, schließlich gibt es wohl kein klassisches Diebesgut, welches so sehr die Wirkung von Licht und Brechung desselben in den Mittelpunkt stellt.

Ein anderer Beitrag zur Konstruktion des Großstadtbildes in „Thief“ wird von der Geräuschkulisse geleistet. In den allermeisten Szenen werden die Dialoge von den Geräuschen vorbeifahrender Autos, Polizeisirenen oder einsamen Schritten in der Dunkelheit begleitet. Das mittlerweile etwas abgedroschene Bild der Stadt, die niemals schläft, wird in „Thief“ auf die Spitze getrieben, wirkliche Ruhe gibt es in den Außenszenen zu nahezu keinem Zeitpunkt. Besonders gespenstisch ist darum der Moment als Frank im Krankenhaus vom Tod eines Freundes erfährt und nur ein einsames Telefon im Hintergrund klingelt, ein starker Kontrast zu den audiovisuell immer beweglichen Szenen in der Nacht. Auch versucht Mann auf formaler Ebene den Unterschied, gar den Zwiespalt zwischen Franks Leben darzustellen, ist doch die Geräuschkulisse rund um das Haus mit Frau und Kind grundsätzlich als Gegensatz zum ewigen Rauschen der Autobahn gestaltet. Grillen zirpen, ein leiser Wind weht und der Stuhl auf der Veranda knarzt ein wenig – was für ein Kontrast zum rastlosen, stets gefährlichen Leben, das Frank als Bandit leben muss. Der Tangerine-Dream-Soundtrack geht eine interessante Verbindung mit der allgegenwärtigen Geräuschkulisse ein, wird er doch von Mann als erzählerisches Mittel eingesetzt. In einigen Momenten scheint die Musik den Film geradezu voranzutreiben, sie stattet ihn mit einer geradezu beklemmenden Dringlichkeit und Zielstrebigkeit aus, nur um in anderen Momenten lediglich unbedeutende Dialogszenen zu übertönen um auf entscheidende Gespräche hinzuweisen. In einigen Momenten der Synchronität zwischen Autobahnrauschen und Tangerine Dream wirkt die gesamte Atmosphäre des Films, der Vibe geradezu, zugespitzt und ungemein verdichtet.

Das abschließende Inferno des Films bringt die Wirkung noch einmal auf den Punkt – erst zieht Frank ein letztes Mal durch die ewigen Neonlichter und hinterlässt dabei ein Meer aus Flammen, Besonderes markant am geradezu exzessiv beleuchteten Parkplatz des Autohändlers. Er entschließt sich, mit seinem Leben als Bandit Schluss zu machen und vernichtet, sehr symbolträchtig, die Straße (oder zumindest einen Teil). Als er dann schließlich nach dem finalen Schusswechsel aufsteht und in eine verhalten optimistische Zukunft aufbricht, ist die Beleuchtung jedoch wieder da und in weiter Ferne hört man ein Auto vorbei rauschen. Es scheint sich der Eindruck zu bewahrheiten, der sich wie ein roter Faden durch den ganzen Film zieht: Die Straße wird Frank nicht verlassen, sondern immer Teil seines Lebens bleiben, was die vermeintliche Befreiung durch die Vernichtung der Gegenspieler, die ihn auf der Straße halten möchten, konterkariert.

Dieser Text wurde von David Schepers(@fantazeromane) verfasst.

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